Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnwagen als Betriebsstätte. Aufteilung der Einkünfte. Kein Ausschluss des negativen Progressionsvorbehalts durch § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein dauerhaft auf einem Campingplatz in Österreich abgestellter Wohnwagen, den der Inhaber einer von Deutschland aus betriebenen gewerblichen Wohnwagenvermietung im Rahmen der Verwaltung z.B. zur Übergabe der dort zur Vermietung stehenden Wohnwagen nutzt, ist Betriebsstätte im Sinne von § 12 Satz 1 AO und von Art. 4 DBA-Österreich.

2. Der von dem Unternehmen insgesamt erwirtschaftete Gewinn ist nach der direkten Methode zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufzuteilen. Da von dem Stammhaus aus nur eine verwaltende und werbende Tätigkeit ausgeübt wurde, während die Vermietung ausschließlich in Österreich erfolgte, sind die Einnahmen mangels anderer Aufteilungsmaßstäbe mit dem Anteil dem deutschen Stammhaus zuzurechnen, zu dem auch die Betriebsausgaben unmittelbar auf das Stammhaus entfallen.

3. Ein aus der österreichischen Betriebsstätte erwirtschafteter Verlust ist gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht abzugsfähig, da es sich bei der Wohnwagenvermietung um eine passive Tätigkeit handelt. Dies ist mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht, insbesondere der Niederlassungsfreiheit vereinbar. Diese gebietet jedoch, den Verlust im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen.

 

Normenkette

EStG 1990 § 2a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 2 Nr. 1, § 32b; AO 1977 § 12 S. 1; DBA AUT Art. 4; EG Art. 43, 48

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.01.2008; Aktenzeichen I R 85/06)

 

Tenor

1. Die Einkommensteuer für 1996 wird auf EUR festgesetzt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte und der Kläger je zur Hälfte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers darf der Beklagte die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

5. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger bezog im Streitjahr 1996 Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Masseur in BB. Daneben betrieb er seit 1993 – anfangs wohl zusammen mit seiner damaligen Ehefrau, ab 1996 jedenfalls allein – unter der Firma „Seecamp Mietwohnwagen, Inh. W. D.” die Vermietung von ursprünglich zwei, später neun und im Streitjahr sieben Wohnwagen, die er Feriengästen zur Nutzung anbot. 1993 hatte er sich aus diesem Grund bei diversen Betreibern von Campingplätzen vornehmlich im Ausland (u. a. in Spanien und Italien) um die Anmietung von Dauerstellplätzen bemüht. Letztlich stellte er die Wohnwagen auf dem Campingplatz der Fremdenverkehrsgesellschaft mbH und Co. KG – Seecamp (KG) in Z. (Österreich) ab. Nach der vom damaligen Steuerberater des Klägers am 15. Juli 1998 beim Beklagten (dem Finanzamt/ FA) abgegebenen, allerdings nicht unterzeichneten Vereinbarung mit der KG hatte er sechs Stellplätze zu Festpreisen angemietet, von denen einer als Bürowohnwagen vorgesehen war. Bei Bedarf sollte er weitere Stellplätze zugewiesen bekommen. Der Kläger trägt demgegenüber vor, er habe die Wohnwagen nur bei Bedarf nach Z. verbracht. Die Stellplätze seien entsprechend der tatsächlichen Nutzung fallweise angemietet und abgerechnet worden. Nach Beendigung der jeweiligen Vermietungszeit habe er die Wohnwagen anfangs nach A., dann nach BB (Bl. 35 ESt-A 1996) gebracht, wo er den vorliegenden Akten nach eigene Immobilien hatte. Dort seien auch erforderliche Reparaturarbeiten vorgenommen worden. Später seien die Wohnwagen bei der Firma Caravan F in P. abgestellt worden (Schreiben vom 25. Juni 2002). 1996 seien alle sieben Wohnwagen an insgesamt 749 Tagen in Z. abgestellt gewesen.

Im Inland habe keine Vermietung stattgefunden. In BB habe er für sein Unternehmen Wohnwagenvermietung einen Raum in seiner Wohnung als Büro genutzt, von dem aus er die Korrespondenz geführt und die Geschäftsunterlagen aufbewahrt habe. Als Postanschrift für das Unternehmen habe er seine Praxis für Physikalische Therapie in BB angegeben. Dort habe er auch Buchungen entgegengenommen, die Mietverträge ausgefertigt, Rechnungen erstellt und weitere mit der Wohnwagenvermietung verbundene Verwaltungsarbeit erledigt. Die Werbung für das Unternehmen sei ausschließlich von Deutschland aus erfolgt. Vor Ort sei nur Hilfspersonal u. a. zum Reinigen der Wohnwagen eingesetzt gewesen. Es sei keiner der Wohnwagen als Büro ausgestattet und genutzt worden. Er, der Kläger, habe diese selbst nach Z. und zurück verbracht. Soweit erforderlich sei er hierzu am Wochenende auch mehrmals hin und her gefahren. Vor Ort habe es keinen Hinweis auf den Gewerbebetrieb des Klägers gegeben. Aus den im Klageverfahren vorgelegten (unvollständigen) Unterlagen ergibt sich, dass die KG dem Kläger für 1996 neben einem Jahres-Komfortplatz (Rechnung vom 31.07.1996) Einzelstell...

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