rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassene Auflösung einer Ansparrücklage ist neue Tatsache

 

Leitsatz (redaktionell)

Löst der Steuerpflichtige die Ansparrücklage – trotz nicht fristgerechter Investition – nicht auf und übersieht auch das FA die erforderliche Auflösung, kann diese nachgeholt werden, da es sich um eine neue Tatsache i. S. d. § 173 Abs. 1 AO handelt; das Versäumins der Mitteilungspflicht des Steuerpflichtigen überwiegt gegenüber dem Versäumins des FA.

 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 7g

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob eine Ansparrücklage gewinnerhöhend aufgelöst werden konnte, weil insoweit eine neue Tatsache vorliegt.

Die Klägerin ist eine im Streitjahr 2008 noch bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Einkünfte einheitlich und gesondert vom Beklagten – dem Finanzamt (FA) festgestellt werden.

In ihrer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) für das Jahr 2006 bildete die Klägerin ausweislich einer Aufstellung (Bl. 13 der ESt-Akte 2007) eine Ansparrücklage für die geplante Anschaffung eines PKW, eines Kopierers, eines Laptops und diverser Einrichtungsgegenstände in Höhe von insgesamt 22.806EUR, die in der Gewinnermittlung für das Jahr 2007 nicht aufgelöst wurden.

Nachdem für das Jahr 2008 keine Erklärung eingereicht worden war, schätzte das FA die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb mit 10.000 EUR (Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung vom 30.08.2010); entsprechend setzte es den Gewerbesteuermessbetrag auf 0 EUR fest.

Nachdem am 03.04.2011 Erklärungen eingereicht worden waren, erließ das FA unter Übernahme der erklärten Zahlen Änderungsbescheide. Dabei stellte es unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung die Einkünfte der Klägerin mit 20.562,82 EUR fest, bei gleichbleibendem Gewerbesteuermessbetrag von 0 EUR (Bescheide vom 19.04.2011). Weder aus der Steuererklärung noch aus der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ergab sich, dass eine gewinnerhöhende Auflösung der Ansparrücklage erfolgt wäre. Auch eine Aufstellung der Ansparrücklagen zum Ende des Streitjahres oder überhaupt ein Hinweis auf nicht aufgelöste Ansparrücklagen war nicht beigefügt, wohl aber ein Anlagenverzeichnis.

Nach einer durch die Steuererklärung für 2009 ausgelösten „Intensivprüfung” entdeckte das FA die unterblieben Auflösung der Rücklage und stellte mit Änderungsbescheiden vom 21.12.2012 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr 2008 erhöht um die Rücklage in Höhe von 22.806 EUR zuzüglich eines Gewinnzuschlags von 2.736,72 (Summe: 25.542,72) mit 46.106 EUR fest. Den Gewerbesteuermessbetrag 2008 setzte es auf 756 EUR fest.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Einspruch. Sie begründet ihn damit, dass das FA bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht bei Erlass des Schätzbescheides hätte erkennen müssen, dass die Rücklage aufzulösen sei. Auf das Einspruchsschreiben vom 23.01.2012 wird verwiesen. Der Einspruch blieb in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 25.10.2012 ohne Erfolg.

Mit Ihrer ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Änderungsbescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen und über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages, jeweils vom 21.12.2012 in Gestalt der EE vom 25.10.2012, aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung – auch bei Übertragung auf den Einzelrichter – einverstanden erklärt, die der Senat am 21.05.2014 beschlossen hat.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist nicht begründet.

Der im Streitfall maßgebliche § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG ist in der für die im Wirtschaftsjahr 2006 gebildete Rücklage weiter geltenden (vgl. § 52 Abs. 23 Satz 3 EStG) Fassung des Gesetzes vor der Änderung durch Art. 1 des Gesetzes vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912) heranzuziehen.

Nach § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG ist eine Rücklage, die am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden ist, zu diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen. Soweit die Auflösung einer Rücklage – wie im Streitfall – nicht auf Absatz 4 Satz 1 beruht, ist der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 Prozent des aufgelösten Rücklagenbetrages zu erhöhen. Dass die streitgegenständliche Rücklage unter diese Vorschrift fällt, ist unter den Beteiligten unstrittig.

Ein Steuerbescheid darf, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, aufgehoben oder geändert werden, soweit dies gesetzlich zugelassen ist (§ 172 Abs. 1 Abgabenordnung [AO]). Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

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