rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Liebhaberei bei einem berufsmäßig tätigen Konzeptkünstler

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Einem bereits über Jahrzehnte hauptberuflich selbständig tätigen, international renommierten Konzeptkünstler, dessen vielfältige Aktivitäten ein meist positives Echo in den Medien und Würdigungen bzw. Bestätigungen durch Fachleute erfahren, ist nicht allein deshalb, weil der materielle Erfolg bisher ausblieb, so dass sich über einen Zeitraum von 14 Jahren ein Gesamtverlust ergibt, die Möglichkeit zu versagen, einkommensteuerlich relevante Einkünfte i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu erwirtschaften.

2. Bei Künstlern ist der Zeitraum für die Ermittlung des Totalgewinns nicht auf das Pensionsalter von 60 oder 65 Jahren zu begrenzen, sondern von der gesamten Lebenszeit auszugehen.

 

Normenkette

EStG §§ 2, 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, §§ 18, 4 Abs. 5 Nr. 7, § 12 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Abs. 4 a. F

 

Gründe

I.

Der seit 3. Mai 2000 verwitwete Kläger, ein in Bayern wohnhafter Italiener (geboren 1939), wurde für die Streitjahre 1980 – 1991 mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt.

Seit den 60er-Jahren betätigt er sich als international renommierter Künstler vor allem in Deutschland und Italien (s. die Darstellung seines künstlerischen Werdegangs bis 1990, Bl. 22 f. FG-Akte). Man kann ihn als Konzeptkünstler mit besonderer Sensibilität für soziale Vorgänge bezeichnen. Aber auch bildhauerisch hat er sich betätigt (vor allem in den späten 50er- und den 60er-Jahren). Wegen seines ausgeprägten zeitkritischen Engagements (Probleme der Umwelt, der aktuellen Situation der bildenden Kunst und der multikulturellen Gesellschaft beschäftigen ihn) betätigt er sich auch als Schriftsteller. Seine vielfältigen Aktivitäten fanden sowohl ein meist positives Echo in den Medien (z. B. Presseartikel: Bl. 2 ESt-Akte 1980, 2 ESt-Akte 1981, 1 ESt-Akte 1985, 1-3 ESt-Akte 1988, 1 f. ESt-Akte 1990) als auch anerkennende Würdigungen bzw. Bestätigungen von kompetenten Museumsleuten sowie sonstigen mit der Vermittlung avantgardistischer Kunst befaßten Fachleuten (z. B. städtischen Kulturreferenten; s. Bl. 13-18 ESt-Akte 1981; 39, 46 ESt-Akte 1991).

Mit einer Universitätsbibliothek schloß er 1996 eine Vereinbarung über eine Skulptur, deren Wert vorläufig mit 30.000 DM veranschlagt war. Die Plastik wurde der Bibliothek leihweise überlassen und ihr eine Kaufoption eingeräumt; der Kläger erhielt eine à-Konto-Zahlung von 4.000 DM (Bl. 20 f. FG-Akte). Ferner legte er eine Liste der in seinem Besitz befindlichen, von ihm geschaffenen Kunstwerke vor, deren Wert er auf ca. 200.000 DM schätzte (Bl. 40-45 ESt-Akte 1991). Ein Museums- und ein Akademie-Direktor bestätigten diese Schätzung.

Von 1977 – 1979 erzielte der Kläger einen Gesamtverlust von 35.130 DM (Hinweis auf den Aktenvermerk zur Betriebsnahen Veranlagung vom 31. März 1981).

Das Gesamtergebnis der Streitjahre 1980 – 1991 beträgt ./. 111.756 DM lt. Erklärungen bzw. vorläufigen Veranlagungen des Beklagten (Finanzamt -FA-); lt. reduziertem Antrag vom 22. August 2000 ./. 65.303 DM. Den Einnahmen 1980 – 1991 von 178.821 DM stehen Ausgaben von 290.576 DM (reduziert: 244.123 DM) gegenüber. Erhöht um die Verluste 1977 – 1979 ergibt sich ein negatives Gesamtergebnis 1977 – 1991 von ./. 146.886 DM, reduziert auf ./. 100.433 DM. Dieser Fehlbetrag mindert sich infolge der positiven Ergebnisse der Jahre 1992 – 1996 i.H.v. insgesamt 22.531 DM (lt. den abgegebenen ESt-Erklärungen) auf77.902 DM.

Der Einzelrichter verweist auf die Übersichten I und II auf Seite 5 a dieses Urteils.

Im ausführlichen Schreiben vom 29. Mai 1987 (Bl. 9 ff ESt-Akte 1986 = 71 f. ESt-Akte 1991) hatte das FA den Kläger darauf hingewiesen, daß für die Frage, ob ein Totalgewinn zu erzielen sei, ein Zeitraum von 15 Jahren zugrunde gelegt würde. Das erzielte Gesamtergebnis 1977 – 1991 wertete es dahingehend, daß ein Totalgewinn zu Lebzeiten des Klägers voraussichtlich nicht mehr zu erzielen sei und erließ daher Änderungsbescheide für 1980 – 1990 bzw. einen Erstbescheid für 1991, worin es die erklärten bzw. veranlagten Verluste oder Gewinne außer Ansatz ließ.

Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung -EE- vom 26. Juni 1995, Bl. 64-69 ESt-Akte 1991).

(Alle Beträge in DM)

I.Ergebnisse der Streitjahre

Jahr

Einnahmen

Ausgaben

20 %

Einkünfte

+ 20 %

1980

5.000

21.348

4.269

./. 16.348

./. 12.079

1981

3.874

20.772

4.154

./. 16.898

./. 12.744

1982

32.675

31.363

6.272

1.312

7.584

1983

334

23.345

4.669

./. 23.011

./. 18.342

1984

14.135

27.494

5.498

./. 13.361

./. 7.863

1985

19.000

36.666

7.333

./. 17.666

./. 10.333

1986

6.903

42.190

8.438

./. 35.287

./. 26.849

1987

29.972

29.101

5.820

871

6.691

Zwischensummen:

111.893

232.279

46.453

./. 120.388

./. 73.935

1988

27.317

22.936

4.381

4.381

1989

17.188

15.693

1.495

1.495

1990

15.272

12.772

2.501

2.501

1991

7.151

6.896

255

255

Summen:

178.821

290.576

./. 111.756

./. 65.303

./. Verluste 1977 – 79

./. 35.130

./. 35.130

. /. 146.886

./. 100.433

II.Weitere Ergebnisse...

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