Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwer. Klagebegehren. Übermaßbesteuerung durch eine Gesamtsteuerbelastung von mehr als 60 %. Vermögensteuer und Einkommensteuer in den Jahren 1993 bis 1996. Halbteilungsgrundsatz

 

Leitsatz (redaktionell)

Selbst bei einer angenommenen Bindung der Ausführungen des BVerfG zu den einzuhaltenden Grenzen einer Steuerbelastung (Halbteilungsgrundsatz) und einer Interpretation im Sinne der Kläger dahingehend, dass nur eine maximale Gesamtsteuerbelastung von 60 % verfassungsgemäß wäre, kann das Begehren der Kläger keinen Erfolg haben, da der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht auf Sachverhalte anzuwenden ist, die bis zum Jahresende 1996 verwirklicht waren (BVerfG, Beschluss v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91 und Beschluss v. 30.3.1998, 1 BvR 1831/97). Für die Einkommensteuerveranlagungszeiträume vor 1997 kann keine verfassungsrechtliche Überlast geltend gemacht werden, da dem Gesetzgeber insoweit auch eine Übergangszeit zuzugestehen ist.

 

Normenkette

FGO § 40 Abs. 2, § 65 Abs. 1; AO §§ 163, 227; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die verheirateten Kläger wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer und auf den 01.01.1995 bzw. 01.01.1996 zur Vermögensteuer beim Beklagten (dem Finanzamt) veranlagt. Sie erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte.

Wesentliche Teile der Einkünfte bestanden in den Streitjahren aus Einnahmen aus der Vergabe von Erbbaurechten, denen keine nennenswerten Ausgaben und keine Abschreibungen gegenüber standen.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die ertragsteuerliche Belastung (Einkommensteuer nebst Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer und Vermögensteuer) in Höhe von mehr als 60 % der Besteuerungsgrundlagen noch verfassungsgemäß ist. Bei der Einkommensteuer 1995 ist zudem streitig, ob die Schadensersatzzahlung eines Mieters wegen Verletzung seiner Instandhaltungspflicht (nach Abzug von Gutachterkosten 255.200 DM) eine steuerpflichtige Einnahme bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung ist.

Zur Begründung der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage tragen die Kläger im Wesentlichen folgendes vor:

  1. In den Jahren 1993 bis 1996 liege im Streitfall eine Übermaßbesteuerung vor.

    Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem Beschluss vom 22.06.1995 (2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655) unter Punkt 2 und 3 des Leitsatzes Ausführungen zur Gesamtbelastung mit Einkommen- und Vermögensteuer gemacht. Eine Obergrenze der steuerlichen Belastung nach dem Halbteilungsgrundsatz lasse sich logischerweise überhaupt nur bestimmen, wenn man alle Ertragsteuerlasten (jedenfalls aus Vermögensteuer, Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) mit einbeziehe. Im Streitfall bestünden die wesentlichen Einkünfte der Kläger aus vereinnahmten Erbbauzinsen, die ohne Abzug irgendwelcher Werbungskosten voll zur Einkommen- und Vermögensteuer herangezogen worden seien. Für diese Einkünfte errechneten sich Steuersätze von 64,29 % für 1993 und 1994 sowie 77,57 % für 1995 und 1996. Selbst bei großzügigster Interpretation des Beschlusses des BVerfG vom 22.06.1995 (2 BvL 37/91) könne hier nicht mehr von „in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand” gesprochen werden. Eine steuerliche Belastung von 75 % erfülle sogar den Tatbestand der Enteignung. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18.01.2006 (2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97) habe sich mit der Frage befasst, ob eine Belastung mit Einkommen- und Gewerbesteuer von 57,58 % bzw. 59,95 % in Höhe der hälftigen Teilung liege. Die Kläger akzeptierten eine Gesamtbelastung von 60 % mit Einkommen- und Vermögensteuer einschließlich der Nebenabgaben wie Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, jedoch keinesfalls eine Belastung von 65 % und mehr. Die Berechnung ihrer steuerlichen Belastung ergebe sich aus ihrem Schreiben vom 17.10.2006, Seiten 3 bis 6. Das Finanzamt habe diese Berechnung in den Einspruchsentscheidungen übernommen.

  2. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vermögensteuer sei höchstrichterlich entschieden. Die Belastung mit Vermögensteuer werde im Rahmen der Klage nur offen gehalten, um im Falle der Feststellung einer Übermaßbesteuerung die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Überbelastung entweder bei den Ertragssteuern oder der Vermögensteuer kürzen zu können. Auf die Ausführungen zur Übermaßbesteuerung werde verwiesen.
  3. Die 1995 erfolgte Zahlung des Mieters des Anwesens X. in Höhe von 255.200 DM für während der Mietzeit unterlassene Reparaturen sei als steuerfreie Abgeltung von Vermögensverlusten zu behandeln. Das Finanzamt habe diese Zahlung zu Unrecht als Einnahme bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung angesetzt. Wie Vermögensverluste im Privatbereich im Einzelfall zu behandeln seien, richte sich nach den Grundsätzen, die der Bundesfinanzhof – BFH – im Urteil vom 05.08.1976 (VIII R 117/75, BStBl II 19...

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