Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenseitige Veräußerung wertloser Aktien zwischen fremden Dritten. Gestaltungsmissbrauch. Verlustrealisierung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Unter dem Regime der Abgeltungsteuer liegt eine entgeltliche Anteilsübertragung auch dann vor, wenn wertlose Anteile ohne Gegenleistung zwischen fremden Dritten übertragen werden. Das gilt selbst dann, wenn die Veräußerung an die Bedingung geknüpft wurde, dass der Veräußerer im Gegenzug (wertlos gewordene) Aktien des Käufers erwirbt.

2. In einer solchen gegenseitigen Veräußerung wertloser Anteile zwischen fremden Dritten ist kein Gestaltungsmissbrauch zu sehen.

3. So lange die Kapitalgesellschaft und damit auch die ausgegebenen Anteile rechtlich fortbestehen, führt nicht bereits ein eingetretener Wertverlust, sondern erst die Veräußerung der Anteile zu einer Realisierung eines Aktienverlustes.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1; AO § 42

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.09.2020; Aktenzeichen VIII R 9/17)

 

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid 2013 vom 17. Februar 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2016 wird mit der Maßgabe geändert, dass der Gewinn aus der Veräußerung von Aktien i.H.v. 24.736 EUR um 4.675,05 EUR verringert wird.

Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer 2013 wird dem Finanzamt übertragen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die steuerliche Berücksichtigung eines Verlustes aus der Veräußerung von Aktien nach deren Wertverfall.

Der Kläger erklärte in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2013 einen Verlust aus der Veräußerung von 1.000 X. Aktien (WKN …) i.H.v. 6.080,57 EUR. Diese Aktien hatte der Kläger im Juli 2011 zu einem Preis von 4.661 EUR (4,661 EUR je Aktie) erworben. Zuzüglich der angefallenen Anschaffungsnebenkosten zahlte der Kläger für den Erwerb der Aktien 4.685,05 EUR. Die Aktien verloren in der Folgezeit erheblich an Wert. Die X. war an der kanadischen Börse zugelassen und betrieb Baumplantagen in China. Nach Betrugsvorwürfen gegen die Gesellschaft war ihr das Listing entzogen worden. Sie geriet in Konkurs. Die Gesellschaft wurde mit Sammelklagen geschädigter Investoren überzogen (…).

Im Februar 2013 veräußerte der Kläger diese Aktien mit schriftlichem Vertrag zu einem Preis von insgesamt 10 EUR (0,01 EUR pro Stück) an Frau Y (Käuferin). Im Gegenzug erwarb er von der Käuferin wertlose Aktien. Die X. Aktien wurden im März 2013 aus dem Depot des Klägers entnommen und in das Depot der Käuferin übertragen. Kosten hierfür fielen nicht an. Die Bank behandelte diesen Übertrag wie eine Veräußerung und setzte zur Ermittlung der Abzugsteuern eine Steuerbemessungsgrundlage von 1.405,52 EUR an. Es wurden Kapitalertragsteuer i.H.v. 351,38 EUR und Solidaritätszuschlag i.H.v. 19,32 EUR abgeführt. Zum Zwecke der zutreffenden steuerlichen Erfassung des Vorgangs begehrte der Kläger deshalb in seiner Steuererklärung neben dem Veräußerungsverlust i.H.v. 4.675,05 EUR (= 10 EUR – 4.685,05 EUR) von den Kapitalerträgen laut Steuerbescheinigung der C. AG vom 3. Februar 2014 einen Betrag i.H.v. 1.405,52 EUR (Steuerbemessungsgrundlage für Abzugsteuern) zum Abzug zu bringen.

Mit Bescheid vom 17. Februar 2015 setzte der Beklagte (Finanzamt) die Einkommensteuer auf 9.368 EUR fest. Das Finanzamt ging von einer teilentgeltlichen Übertragung der Aktien aus. Es bestimmte den Anteil der entgeltlichen Übertragung mit 0,17 % und ermittelte einen Veräußerungserlös von 2 EUR. Gleichzeitig kürzte das Finanzamt die Beträge laut Steuerbescheinigung um 1.404 EUR (99,83 % von 1.405,52 EUR). Als Gewinn aus der Veräußerung von Aktien wurden 24.736 EUR (vor Verrechnung mit Verlustvorträgen) angesetzt. Der begehrte Veräußerungsverlust in Höhe von 4.675,05 EUR wurde nicht berücksichtigt.

Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Er machte geltend, dass er abgesehen von der streitgegenständlichen Transaktion keinerlei Verbindung zur Käuferin habe. Die Aktien seien zum Zeitpunkt der Veräußerung faktisch wertlos gewesen, da die Firma bereits insolvent und nicht mehr an der Börse gelistet gewesen sei. Der außerbörslichen Verkauf sei die einzige Möglichkeit gewesen die immensen Verluste zumindest steuerwirksam zu korrigieren.

Im Laufe des Einspruchsverfahrens wies das Finanzamt mit Schreiben vom 12. April 2016 den Kläger darauf hin, dass der Abzug von Opferstockspenden und einer Spende anlässlich der Taufe mangels Steuerbescheinigungen nicht berücksichtigt werden könnten, und drohte eine verbösernde Einspruchsentscheidung an.

Mit Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2016 erhöhte das Finanzamt die Einkommensteuer 2013 auf 9.414 EUR. Es berücksichtigte weiterhin den geltend ...

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