Entscheidungsstichwort (Thema)

Private Nutzung von Dienstfahrzeugen: für die Anwendung der Fahrtenbuchmethode nach § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG geforderter Belegnachweis auch bei erforderlicher Schätzung des Treibstoffverbrauchs und des Treibstoffpreises erfüllt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Besteuerung der privaten Nutzung eines Dienstwagens nach § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG (sog. individuelle oder Fahrtenbuchmethode) ist neben der Führung eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs der Belegnachweis für die durch das Kfz insgesamt entstandenen Aufwendungen materiell-rechtliche Voraussetzung.

2. Konnten zwar zur Berechnung der tatsächlichen Treibstoffkosten lediglich geschätzte Werte hinsichtlich des Verbrauchswerts des einzelnen Fahrzeugs und der Treibstoffpreise zugrunde gelegt werden, weil die Betankung des jeweiligen Fahrzeugs durchgehend an einer betrieblichen Zapfsäule des Arbeitgebers ohne Anzeige der Mengenabgabe und des Preises erfolgt ist, liegen jedoch sämtliche Einkaufsrechnungen des Arbeitgebers für die gesamten Treibstoffkosten vor, so stellt die erforderliche Teilschätzung des durchschnittlichen Treibstoffpreises sowie des konkreten Treibstoffverbrauchs eines von einem Arbeitnehmer auch privat genutzten Kfz nur einen geringfügigen Mangel dar, der insgesamt nicht zur Verwerfung der Fahrtenbuchmethode führt, sofern bei der Teilschätzung der höchste vom Hersteller angegebene Verbrauch pro km (innerstädtischer Verkehr) angesetzt wird und eine Manipulation somit praktisch ausgeschlossen ist.

 

Normenkette

EStG § 8 Abs. 2 Sätze 4, 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2, § 42d Abs. 1 Nr. 1; AO § 162

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 15.12.2022; Aktenzeichen VI R 44/20)

 

Tenor

1. Der Haftungsbescheid vom 6. Februar 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Februar 2019 wird dahingehend geändert, dass der Haftungsbetrag für Lohnsteuer von bisher 18.312 EUR auf 4.462 EUR, für Solidaritätszuschlag von bisher 1.007,65 EUR auf 245,41 EUR und für römisch-katholische Kirchensteuer von bisher 1.465,68 EUR auf 356,96 EUR, insgesamt von bisher 20.794,33 EUR auf 5.064,37 EUR herabgesetzt wird.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 22 v.H. und der Beklagte zu 78 v.H.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Haftungsinanspruchnahme der Klägerin für Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer und römisch-katholische Kirchensteuer für die private Kraftfahrzeug(Kfz)-Nutzung ihrer Arbeitnehmer.

Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz in … Sie ist im Handelsregister B des AG … unter HRB …. eingetragen und betreibt ein … Unternehmen. Im Haftungszeitraum überließ sie ihren Arbeitnehmern A und B jeweils firmeneigene Fahrzeuge, die diese auch privat nutzen durften. Im Einzelnen verfügte A über einen Audi A5 im Zeitraum 1. Dezember 2011 bis 27. April 2012, einen BMW 530xd im Zeitraum 27. April 2012 bis 16. April 2015 und einen BMW X5 M50d im Zeitraum 17. April 2015 bis 31. Dezember 2015. B verfügte über einen VW Tiguan im Zeitraum 1. Januar 2012 bis 5. April 2014 und einen Volvo XC60 im Zeitraum 3. April 2014 bis 31. Dezember 2015. Beide Arbeitnehmer führten über die mit ihren Dienstwagen unternommenen Fahrten im gesamten streitigen Zeitraum Aufzeichnungen in Fahrtenbüchern.

Der Beklagte (Finanzamt) führte in der Zeit vom 10. Mai 2016 bis 19. Dezember 2016 eine Lohnsteueraußenprüfung für den Haftungszeitraum Dezember 2011 bis April 2016 durch. Dabei stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin die aus der privaten Nutzung der Dienstwagen resultierenden geldwerten Vorteile nach einer Mischmethode ermittelt hatte. Für die Privatfahrten der Arbeitnehmer kam die sogenannte individuelle Methode zur Anwendung, d.h. der Nutzungsvorteil wurde anhand des Einzelnachweises aller Fahrten und Gesamtkosten ermittelt. A hatte sein jeweiliges Fahrzeug auch für die Fahrten Wohnung – Arbeitsstätte/erste Tätigkeitsstätte genutzt. Für die Berechnung des hieraus resultierenden geldwerten Vorteils wurde die pauschalierende Bewertung mit 0,03 % des Bruttolistenpreises angewandt. Weiter stellte der Prüfer fest, dass zur Berechnung der tatsächlichen Treibstoffkosten geschätzte Werte hinsichtlich der Verbrauchswerte der Fahrzeuge und der Treibstoffpreise zugrunde gelegt worden waren. Der Grund hierfür war, dass die Betankung der Fahrzeuge an einer betrieblichen Zapfsäule ohne Anzeige der Mengenabgabe und des Preises erfolgt war. Die Fahrtenbücher waren nach Auffassung des Prüfers ordnungsgemäß. Mit Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 17. Januar 2017 berechnete der Prüfer den geldwerten Vorteil aus der privaten Nutzung der Firmen-Pkws pauschal nach der 1-%-Methode bzw. der 0,03-%-Methode für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte/erster Tätigkeitsstätt...

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