Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahlrecht zur nachgelagerten Besteuerung von Veräußerungsrenten, Wahlrechtsausübung bei Anfechtung eines gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheids i. R. d. § 351 Abs. 1 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Interessenlage, die in teleologischer Reduktion der §§ 16, 34 EStG ein Wahlrecht zur nachgelagerten Besteuerung von Veräußerungsrenten (§ 24 Nr. 2 i. V. m. § 15 EStG) rechtfertigt, kann auch bei einer vom Erwerber zugunsten des Veräußerers abgeschlossenen Rentenversicherung gegeben sein.

2. Ein steuerliches Wahlrecht kann bis zur Bestandskraft eines nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheids erstmalig oder geändert ausgeübt werden. Voraussetzung ist u. a., dass sich die bei Wahlrechtsausübung ergebende Änderung der Steuerfestsetzung i. R. d. § 351 Abs. 1 AO hält.

 

Normenkette

EStG §§ 16, 34, 24 Nr. 2, § 15; AO § 157 Abs. 2, §§ 175, 351 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.04.2018; Aktenzeichen III R 12/17)

BFH (Urteil vom 26.04.2018; Aktenzeichen III R 12/17)

 

Tenor

1. Unter Änderung des Bescheids vom 23. Dezember 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. August 2016 wird die Einkommensteuer 2002 auf 39.730 EUR herabgesetzt.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen einen gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid das Wahlrecht zur laufenden Besteuerung von Veräußerungsrenten neu ausgeübt werden kann.

Der Kläger veräußerte mit Vertrag vom 8. April 2002, auf den hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird, zum 1. Januar 2002 seinen Kommanditanteil an der xxx GmbH & Co. KG. Als vorläufiger Kaufpreis war ein Betrag von 536.800 EUR vereinbart; dieser Kaufpreis unterlag bestimmten Anpassungsregelungen. Der Erwerber sollte in Höhe des Kaufpreises in mehreren Tranchen Einmalbeiträge in Rentenversicherungen gemäß dem Vertrag beigefügten Versicherungsangeboten zahlen. Die Parteien waren sich einig, dass ausschließlich in Höhe und Umfang der aus diesen jeweiligen Rückdeckungsversicherungen dem Veräußerer als „versicherte Person” zufließenden Zahlungen (Rentenzahlungen/ Einmalzahlungen im Todesfall etc.) seitens des Erwerbers eine Rentenzusage erteilt wurde. Der Erwerber durfte die Rentenversicherungen nur mit Zustimmung des Klägers kündigen (Zusatzvereinbarung zum Veräußerungsvertrag).

Nach den vom Erwerber über Einmalbeiträge von insgesamt 161.000 EUR abgeschlossenen Rentenversicherungen (im Einzelnen wird auf die Versicherungsscheine Nr. xxx bis xxx verwiesen) waren jeweils Versicherungsnehmer der Erwerber, versicherte Person der Kläger und bezugsberechtigt

  1. solange die versicherte Person lebt: unwiderruflich der Kläger;
  2. bei Tod der versicherten Person: die Klägerin.

Eine Änderung des Bezugsrechts war möglich, solange der Versicherungsfall noch nicht eingetreten war. Der Versicherungsnehmer konnte das Bezugsrecht im Erlebensfall außerdem nur mit Zustimmung des unwiderruflich Begünstigten ändern.

Als Leistungen waren jeweils vorgesehen:

  1. Beitragsrückzahlung bei Tod vor dem 1. Mai 2010;
  2. Monatliche Garantierente bei Erleben des 1. Mai 2010;
  3. Todesfallleistung ab Rentenbeginn bis 30. April 2028: 18fache jährliche ab Rentenbeginn garantierte Rente abzüglich bereits gezahlter, ab Rentenbeginn garantierter Renten.

Mit Vergleichsvertrag vom 25. Mai 2007, auf den hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, wurde der ursprünglich vereinbarte Kaufpreis für den Kommanditanteil vorbehaltlich weiterer Anpassungen auf 943.816 EUR erhöht. Über die vom Erwerber geleistete Tranche von 161.000 EUR hinaus sollten keine weiteren Zahlungen in eine Rückdeckungsversicherung erfolgen; weitere Kaufpreiszahlungen bzw. Kaufpreisanpassungszahlungen sollten unmittelbar an den Veräußerer in Geld geleistet werden. Endgültig wurde die Kaufpreisabrechnung erst nach einem Schiedsgutachten vom 12. September 2013 geregelt, auf das hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird.

Der Beginn der Rentenzahlungen erfolgte abweichend von den Versicherungsscheinen erstmals im Kalenderjahr 2015.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 2002 vom 27. Mai 2004 erklärten die Kläger u. a. Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb aus Veräußerungsgewinnen in Höhe von 348.149 EUR. Sie machten dabei von dem Wahlrecht auf eine Besteuerung nach Zufluss keinen Gebrauch. Das beklagte Finanzamt (FA) setzte mit Bescheid vom 2. Juli 2004 die Einkommensteuer 2002 auf 1.810 EUR fest. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Das FA setzte zuletzt mit gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändertem Bescheid vom 4. März 2010 die Einkommensteuer 2002 auf 0 EUR herab. Dabei legte das FA – aufgrund einer Mitteilung über den geänderten ...

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