Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit eines erst nach Abgabe der Einkommensteuererklärung von einem GmbH-Gesellschafter gestellten Antrags zur Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren bei nachträglich von der Außenprüfung erstmals als Kapitaleinkünfte eingestuften Einkünften

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Halbsatz 1 EStG, der bestimmt, dass das Ende der Frist für Gesellschafter von Kapitalgesellschaften zur Beantragung der Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren anstelle der Abgeltungsteuer spätestens bei Abgabe der Einkommensteuererklärung ist, ist im Wege einer teleologischen Reduktion nicht anzuwenden, wenn dem Gesellschafter aus der betreffenden Beteiligung ausschließlich verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zugeflossen sind, die er in seiner Einkommensteuererklärung entsprechend den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Rechtsverhältnissen als Einnahmen bei anderen Einkunftsarten (im Streitfall: Einkünfte nach § 18, § 19 EStG) als den Kapitaleinkünften erklärt hat und die vom FA erst nachträglich nach einer Außenprüfung (zutreffend) als Kapitalerträge besteuert worden sind. Der Steuerpflichtige kann in so einem Fall sein Wahlrecht solange ausüben, bis der Einkommensteuerbescheid des fraglichen Jahres formell und materiell bestandskräftig ist.

 

Normenkette

EStG 2009 § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 1 Buchst. a, Sätze 2, 4, § 3 Nr. 40, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1-2, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.05.2019; Aktenzeichen VIII R 20/16)

 

Tenor

1. Die Einkommensteuerbescheide für 2009 bis 2011 und die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2009, 31. Dezember 2010 und 31. Dezember 2011 jeweils vom 14. April 2015 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2015 werden dahin geändert, dass die Kapitalerträge des Klägers aus seiner Beteiligung an der A-GmbH in Höhe von 1.050.000 EUR (2009), 1.500.000 EUR (2010) und 800.000 EUR (2011) zu 40 % steuerfrei gestellt werden. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuern und der gesondert festzustellenden verbleibenden Verlustvorträge zur Einkommensteuer werden dem Beklagten übertragen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

In den Streitjahren 2009 bis 2011 war der Kläger als Rechtsanwalt selbstständig tätig. Daneben war er Geschäftsführer der B-GmbH. Die B-GmbH war eine 100%-ige Tochtergesellschaft der A-GmbH, deren Allein-Gesellschafter der Kläger war. Für seine Tätigkeit als Geschäftsführer bezog er von der B-GmbH in den Jahren 2009 bis 2011 ein Jahresgehalt in Höhe von 2 Mio. EUR und eine Tantieme für das Jahr 2010 in Höhe von 700.000 EUR. Außerdem erhielt er von der B-GmbH im Jahr 2009 750.000 EUR für von ihm als Rechtsanwalt erbrachte Beratungsleistungen. Die A-GmbH schüttete in den Streitjahren keine Gewinne aus.

In den Einkommensteuererklärungen für 2009 bis 2011 – die der Kläger am 21. Januar 2011,

21. Dezember 2011 und 11. Januar 2013 beim Beklagten (dem Finanzamt – FA –) abgegeben hatte – erklärte der Kläger das Entgelt für die Beratungsleistungen als Einnahmen bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit und die Geschäftsführergehälter und die Tantieme als Einnahmen bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Dementsprechend erklärte er in den Anlagen KAP 2009 bis 2011 keine Einkünfte aus einer unternehmerischen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft und stellte nicht den dort in Zeile 24 vorgesehenen Antrag auf Anwendung der tariflichen Einkommensteuer für die Erträge aus einer solchen Beteiligung. In den Anlagen KAP 2010 und 2011 stellte er den Antrag auf Günstigerprüfung und auf Überprüfung des Steuereinbehalts. Mit Bescheiden vom 14. März 2011, 7. Februar 2012 und 1. Juli 2013 veranlagte das FA den Kläger erklärungsgemäß – unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (vgl. § 164 Abs. 1 der AbgabenordnungAO –) – zur Einkommensteuer 2009 bis 2011 und stellte die verbleibenden Verlustvorträge zur Einkommensteuer zum Ende dieser Veranlagungszeiträume – ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung – entsprechend gesondert fest. Mit Bescheid vom 22. März 2011 änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für 2009; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

Bei einer Außenprüfung beim Kläger für die Jahre 2007 bis 2010 stellte das FA fest, dass – wie zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht – die Geschäftsführergehälter in Höhe von jeweils 800.000 EUR und die Tantieme sowie das Entgelt für die Beratungsleistungen in Höhe von 250.000 EUR verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) sind. Dabei gelangte es zu der Auffassung, dass der Antrag auf Besteuerung der vGA nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 des Einkomm...

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