rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der Spekulationsfrist bei Verschmelzung. Ausübung eines Bezugsrechts als Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 EStG. Verfassungswidrigkeit der rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für im Zuge der Verschmelzung erhaltene Anteile beginnt die Spekulationsfrist mit Abschluss des Verschmelzungsvertrages (entgegen dem auf den Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister abstellenden BMF v. 25.10.2004, IV C 3-S 2256-238/04, BStBl I 2004, 1034).

2. Die Ausübung eines durch einen Kapitalerhöhungsbeschluss konkretisierten Bezugsrechts ist ein Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 23 Abs. 1 EStG.

3. Wurden im April 1999 ausgeübte Bezugsrechte im Juni 1998 angeschafft (Kapitalerhöhung gegen Einlage), und damit zu einem Zeitpunkt zu dem noch die sechsmonatige Spekulationsfrist galt, sind – nach dem das BVerfG mehrere durch das StEntlG 1999/2000/2002 rückwirkende Änderungen steuerrechtlicher Vorschriften teilweise wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot für nichtig erklärt hat – bis zum 31.3.1999 entstandene Wertsteigerungen der Bezugsrechte aus den im Zuge der Verschmelzung erhaltenen Anteilen steuerlich nicht zu erfassen, denn die Sechs-Monats-Frist war bereits vor Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 abgelaufen (vgl. BVerfG v. 7.7.2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05 und 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05 sowie 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06).

 

Normenkette

EStG 1997 § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 52 Abs. 39 S. 1 Fassung: 1999-03-24, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b; GG Art. 20 Abs. 3; BVerfGG § 31 Abs. 1; AktG § 186 Abs. 1, 5; UmwG § 2 Nr. 1, § 55

 

Tenor

1. Die Einkommensteuer für 1999 wird unter Abänderung des Bescheides vom 9. 4. 2001, zuletzt geändert mit Bescheid vom 27. 2. 2006, auf … EUR herabgesetzt.

2. Die Revision wird zugelassen.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

 

Tatbestand

Streitig ist die steuerliche Behandlung eines Gewinns aus dem Verkauf von Aktien.

Der Kläger, der im Streitjahr 1999 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt wurde, war jeweils Gründungsgesellschafter der X-GmbH (…, gegründet 1986), der Y-GmbH (…, gegründet 1994) und der Z-GmbH (…, gegründet ebenfalls 1994). Die Firmen waren im Bereich „Entwicklung und Vertrieb von Software für …” tätig. Der Anteil des Klägers betrug ab dem 31. 7. 1996 jeweils 22 %.

Am 28. 7. 1998 beschlossen die Gesellschafterversammlungen der o.g. GmbHs jeweils die Erhöhung des Stammkapitals aus Gesellschaftsmitteln in folgendem Umfang:

X-GmbH

um 470.000 DM

auf

520.000 DM

Y-GmbH

um 130.000 DM

auf

180.000 DM

Z-GmbH

um 650.000 DM

auf

700.000 DM

Mit notariellem Vertrag vom selben Tag wurden die X-GmbH und die Y-GmbH auf die Z-GmbH verschmolzen. Zur Durchführung dieser Verschmelzung hat die Z-GmbH ihr Stammkapital um weitere 700.000 DM auf 1.400.000 DM erhöht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Verschmelzungsvertrag vom 28. 7. 1998 verwiesen (Bl. 318-344 FG-Akte). Die Verschmelzung wurde am 27. 10. 1998 in das Register der Z-GmbH eingetragen.

Ebenfalls am 28. 7. 1998 hatte die Gesellschafterversammlung die formwechselnde Umwandlung der Z-GmbH in eine Aktiengesellschaft unter der Firma „…AG” (nachfolgend: Z-AG) beschlossen. Die Z-AG wurde am 28. 10. 1998 unter der Nummer HRB … in das Handelsregister … eingetragen. Der Kläger war an ihr wiederum mit einem Anteil von 22 % beteiligt.

In der außerordentlichen Hauptversammlung der Z-AG vom 9. 3. 1999 wurde das Grundkapital von 1.400.000 DM auf 715.808,63 EUR umgestellt, aus Gesellschaftsmitteln auf zunächst 806.400 EUR erhöht und in 806.400 auf den Inhaber lautende Stückaktien eingeteilt. Der Kläger war hieran mit 22 %, also 177.408 Stückaktien (157.478 Altbestand und 19.930 Aktien aus der Euroglättung) zu je 1 EUR beteiligt. Anschließend wurde das Grundkapital der Gesellschaft auf 9.000.000 EUR durch Ausgabe von 8.193.600 neuen auf den Inhaber lautenden Stückaktien erhöht (Kapitalerhöhung I). Diese neuen Aktien wurden von der Bank A mit der Verpflichtung übernommen, sie den Aktionären im Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligung an der Gesellschaft zu einem Preis von 1 EUR pro Aktie anzubieten. Hinsichtlich der Ausgabe weiterer 2.700.000 Stückaktien, die zu einer nochmaligen Erhöhung des Grundkapitals auf 11.700.000 EUR führte (Kapitalerhöhung II), war das Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 9. 3. 1999 verwiesen (Bl. 345-357 FG-Akte). Das gesamte Grundkapital der Z-AG ist am 16. 4. 1999 im Segment „Neuer Markt” zum Börsenhandel zugelassen worden.

Der Kläger bezog mit Valuta 21. 4. 1999 entsprechend se...

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