Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltstätigkeit als Liebhaberei. Einkommensteuer 1990 und 1991

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch bei der Einkunftsart „selbständige Arbeit” ist eine Gewinnerzielungsabsicht Voraussetzung für das Vorliegen einer einkommensteuerrechtlich relevanten Tätigkeit.

2. Bei einer Rechtsanwältin spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass sie ihre Rechtsanwaltstätigkeit in der Absicht betreibt, Gewinne zu erzielen. Dieser Anscheinsbeweis kann vom FA entkräftet werden. Hier: Entkräftung des Anscheinsbeweises durch das FA mit dem Hinweis auf verschwindend geringe Einnahmen der Rechtsanwältin, den damit verbundenen reduzierten Arbeitsaufwand, anderweitig zur Verfügung stehende finanzielle Mittel, ihre soziale Einstellung und das mit dem Beruf verbundene Sozialprestige.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.12.2004; Aktenzeichen XI R 6/02)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin in den Streitjahren mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt hat.

I.

Die Klägerin erzielte in den Streitjahren positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen und erklärte darüber hinaus Verluste aus ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin, d. h. negative Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

Im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin machte die Klägerin im Rahmen der für die Streitjahre abgegebenen Einkommensteuer(ESt)-Erklärungen zu den Honorareinnahmen (inkl. MWSt.) und den insgesamt erzielten Verlusten folgende Angaben:

1990

1991

DM

DM

Honorareinnahmen

inkl. MWSt.

2.875,08

3.832,14

Verlust

15.485,27

9.450,00

Die Honorareinnahmen der Klägerin (inkl. MWSt.) in den Jahren 1989 und 1992 bis 1997 stellen sich wie folgt dar:

1989

1992

1993

1994

1995

1996

1997

3.072,30

13.896,29

2.567,97

5.155,44

4.201,96

5.060,–

4.438,03

Die Honorareinnahmen inkl. Eigenverbrauch – die reinen Honorareinnahmen ließen sich nicht mehr ermitteln – in den Jahren 1986 (Beginn der Anwaltstätigkeit in …; davor zwei Jahre Anwaltstätigkeit in …) bis 1988 waren wie folgt:

1986

1987

1988

5.270

3.163

5.981

Das Finanzamt (FA) veranlagte die Klägerin hinsichtlich der Verluste 1990 und 1991 zunächst erklärungsgemäß, jedoch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Rahmen der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung erkannte das FA die Verluste 1990 und 1991 mit der Begründung nicht mehr an, in absehbarer Zeit könne mit einem Totalgewinn nicht gerechnet werden. Die dagegen eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg. Das FA machte in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 24. Januar 1997 im wesentlichen geltend, die Anerkennung der geltend gemachten Verluste setze voraus, daß die Klägerin ihre Rechtsanwaltstätigkeit in den Streitjahren mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt habe. Gewinnerzielungsabsicht sei das Streben nach einem insgesamt positiven Gesamtergebnis des Betriebs in der Zeit ab der Gründung bis zur Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation. Werde nach einer gewissen – nicht zu kurz bemessenen – Anlaufzeit festgestellt, daß trotz entsprechender Bemühungen keine Gewinne erzielt würden und unter den gegebenen Umständen keine Aussicht bestehe, ein positives Gesamtergebnis aus der selbständigen Tätigkeit zu erzielen, so müsse aus der weiteren Fortsetzung der verlustbringenden Tätigkeit der Schluß gezogen werden, daß der Steuerpflichtige fortan nicht mehr zur Gewinnerzielung, sondern nur noch aus persönlichen Gründen tätig sei. So liege es im Streitfall.

Die Klägerin habe mindestens seit 1984 – mit Ausnahme von 1985 – bei geringen Einnahmen nur Verluste aus ihrer Anwaltstätigkeit erzielt. Zwar habe die Klägerin im Dezember 1996 organisatorische Verbesserungen vorgenommen, dies könne aber für die Beurteilung der Vergangenheit und damit auch der Streitjahre keine Auswirkungen haben. Zu berücksichtigen sei auch, daß es der Klägerin mindestens ab 1989 nur durch hohe andere Einkünfte (gewerbliche Beteiligung, Kapitalerträge) und Kapitalvermögen (insbesondere Zahlungsmittel bzw. festverzinsliche Papiere) möglich gewesen sei, die weiteren Verluste zu tragen. Aus der Fortsetzung der verlustbringenden Tätigkeit sei daher zu schließen, daß die Klägerin jedenfalls für die Streitjahre nicht mehr zur Gewinnerzielung, sondern aus persönlichen Gründen tätig gewesen sei.

Wegen des Sachverhalts bis zum Abschluß des Vorverfahrens wird ergänzend auf die EE vom 24. Januar 1997 Bezug genommen.

Mit ihrer Klage vom 26. Februar 1997 verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter. Zur Begründung heißt es im Schriftsatz vom 26. Mai 1996 im wesentlichen, das FA habe die geltend gemachten Verluste zu Unrecht nicht anerkannt. Die Klägerin erachte die von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung praktizierte analoge Anwendung der in § 15 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) vom Gesetzgeber geforderten Gewinnerzielungsabsicht für Gewerbetreibende in gleichem Umfang auf die freien Berufe des § 18 EStG für...

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