Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung der Einlage bei der bilanziell überschuldeten Kapitalgesellschaft aufgrund eines Forderungsverzichts des Gesellschafters; Vertrauensschutz aufgrund Rechtsprechungsänderung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Verzichtet der Gesellschafter aus Gründen des Gesellschaftsverhältnisses auf eine Forderung gegenüber "seiner" Kapitalgesellschaft, liegt auf Ebene der Kapitalgesellschaft eine mit dem Teilwert der erlassenen Forderung zu bewertende Einlage vor; ist die Kapitalgesellschaft zum Zeitpunkt des Forderungsverzichts bilanziell überschuldet und sind keine erheblichen stillen Reserven vorhanden, beträgt der Teilwert der Gesellschafterforderung regelmäßig 0 DM.

2. Zur Bestimmung des Teilwerts einer nicht mehr (voll) werthaltigen Forderung des Gesellschafters gegen die Kapitalgesellschaft.

3. Vertrauensschutz nach § 176 Abs.1 Nr.3 AO 1977 besteht nicht im Hinblick auf eine Rechtsprechung, die erst nach Erlass des Änderungsbescheids aufgegeben wurde.

 

Normenkette

KStG § 8 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 1 Sätze 1, 5, § 6 Abs. 1 Nr. 5, § 5 Abs. 1; AO 1976 § 176 Abs. 1 Nr. 3

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob und in welcher Höhe infolge des Verzichts des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft auf einen Teil seiner Forderungen gegenüber dieser bei der Kapitalgesellschaft ein Gewinn entstanden ist.

Die Klägerin ist eine GmbH mit einem Stammkapital von 100.000 DM. Alleiniger Gesellschafter war (bis zur Übernahme der Anteile durch die ... Inc. im Dezember 1990) die D. Inc., USA. Gegenstand des Unternehmens waren Entwicklung, Herstellung, Absatz, Vertrieb, Wartung und Nutzung von Computersystemen einschließlich Software und Peripheriegeräten.

Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr (vom 1. Oktober bis 30. September).

Aus Lieferbeziehungen mit ihrer Muttergesellschaft hatte die Klägerin Verbindlichkeiten, die sich am 15. März 1990 auf insgesamt 15.617.443 DM beliefen. Zu diesem Zeitpunkt war sie bilanziell um 8.628.528 DM überschuldet (s. dazu auch die von der Klägerin eingereichte Zwischenbilanz zum 31. März 1990). Um die bestehende Überschuldung zu beseitigen, schloß die Klägerin mit ihrer Muttergesellschaft am 15. März 1990 einen Vertrag über einen Forderungserlaß in Höhe von 8.628.528 DM.

In ihrer Bilanz zum 30. September 1990 wies die Klägerin diesen Betrag als außerordentlichen Ertrag aus. Bei der steuerlichen Gewinnermittlung behandelte sie den Betrag aber als steuerfreie Einlage. In der Steuererklärung für das Jahr 1990 führte sie den Ertrag unter den „nicht der Körperschaftsteuer unterliegenden inländischen Vermögensmehrungen” (Gesellschaftereinlagen) auf.

Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) folgte zunächst den eingereichten Steuererklärungen. Die Steuerbescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (Bescheide vom 23. September 1992 bzw. Änderungsbescheid vom 27. Februar 1995).

Im Rahmen einer bei der Klägerin im Jahr 1995 durchgeführten Außenprüfung gelangten die Prüfer zu der Auffassung, daß die erlassene Forderung nicht mehr werthaltig gewesen sei. Nach den vorliegenden Unterlagen und Bilanzen sei davon auszugehen, daß keine stillen Reserven vorhanden gewesen seien. Der Teilwert der erlassenen Forderung betrage deshalb 0 DM. Die Einlage sei mit dem Teilwert der Forderung zu bewerten. Damit sei der Forderungsverzicht 1990 in voller Höhe als außerordentlicher Ertrag bei der Besteuerung zu berücksichtigen. Allerdings machten die Prüfer ausdrücklich darauf aufmerksam, daß die entscheidungserhebliche Rechtsfrage umstritten und dem Großen Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Entscheidung vorgelegt worden sei (BFH-Beschluß vom 27. Juli 1994 I R 23/93, I R 58/93, I R 103/93, BStBl II 1995, 27). Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht vom 30. November 1995 (samt dem zugehörigen Bericht über die Prüfung der steuerlichen Auslandsbeziehungen vom 10. Oktober 1995) verwiesen.

Das FA folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechend geänderte Steuerbescheide (für das Streitjahr 1990 s. die Bescheide vom 8. bzw. 9. Juli 1996). Infolge des geänderten Verlustabzugs ergab sich zugleich eine Änderung des Körperschaftsteuerbescheids 1991.

Die Klägerin legte gegen die ergangenen Änderungsbescheide Einspruch ein. Auf ihren Antrag ruhte das Einspruchsverfahren zunächst bis zum Ergehen des Beschlusses des Großen Senats vom 9. Juni 1997 (GrS 1/94, BStBl II 1998, 307). Die Klägerin machte nunmehr geltend, allein aufgrund der Überschuldung einer Gesellschaft könne nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, daß die Forderung des Gesellschafters gegenüber seiner überschuldeten Gesellschaft insgesamt in voller Höhe nicht mehr werthaltig sei. Wäre die Gesellschaft aufgelöst worden, hätte die Klägerin nach den gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen 70 % ihrer Ansprüche (von insgesamt 16,7 Mio. DM) realisieren können. Dies bedeute, daß auch der Teil der Forderung, auf den im März 1990 verzichtet worden sei (8.628.591 DM), mindestens zu 70 v.H. (also in Höhe von ca. ...

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