Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslohn; Lohnsteuerpflicht; Rückentrainingsprogramm

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Kostenübernahme für das Rückentrainingsprogramm von Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber stellt keine lohnsteuerpflichtige Zuwendung dar. Da Vorraussetzung für die Teilnahme an der Trainingsmaßnahme und Kostenübernahme eine festgestellte medizinische Indikation sowie die regelmäßige Teilnahme der Arbeitnehmer war, überwiegt das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers deutlich.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 04.07.2007; Aktenzeichen VI B 78/06)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids für Lohnsteuer.

Die Klägerin bietet ihren Arbeitnehmern die Möglichkeit, an einem Rückentrainingsprogramm des G (G-Training) teilzunehmen.

Die Klägerin hatte im streitigen Zeitraum 800 Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze solche i.S.d. Bildschirmarbeitsplatzverordnung sind. Daraus ergeben sich für den Arbeitgeber besondere Verpflichtungen in Bezug auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Auch die Berufsgenossenschaft hat besondere Regeln erlassen, um besondere physische oder psychische Belastungen der Beschäftigten zu erkennen und bezüglich des Rückens folgendes ausgeführt: „Bei gleich bleibenden Körperhaltungen ist in erheblichem Umfang statische Haltearbeit zu leisten, die eine einseitige Belastung darstellt. Das Fehlen häufiger Belastungswechsel kann u.a. zu Beschwerden im Schulter-/Nacken-, Hand-/Armbereich, der Wirbelsäule und zu Kopfschmerzen führen.” Dies bestätigt auch eine gutachterliche Stellungnahme einer Ärztin des U.

Hier setzt das G-Konzept an. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen ist es ein interdisziplinäres, risikofaktorenorientiertes …-Konzept zur Behandlung von Rückenschmerzpatienten mit fortgeschrittener Dekonditionierung der wirbelsäulenstabilisierenden Muskulatur. Seine Anwendung ist speziell qualifizierten Ärzten und Therapeuten mit Zertifizierung durch die … Gesellschaft … und/oder die … Gesellschaft … vorbehalten. Danach beinhaltet das G-Konzept eine klinisch differenzierte Diagnostik und Therapie für Rückenschmerzpatienten und ist eine analysegestützte medizinische Trainingstherapie ausschließlich für die Wirbelsäule. Das Besondere an diesem Konzept ist, dass die autochthone Rückenmuskulatur, d.h. die unmittelbar an der Wirbelsäule verlaufenden Muskelstränge, die in der Tiefe liegen und von der darüber liegenden Muskulatur verdeckt werden, im Rahmen dieses G-Konzepts aufgebaut und gestärkt werden.

Wollte ein Arbeitnehmer das Angebot der Klägerin zur Teilnahme an diesem Programm annehmen, wurde – entsprechend der Gliederung des Konzepts in drei Maßnahmen – zunächst eine – voll von der Arbeitgeberin bezahlte – biomechanische Funktionsanalyse der Wirbelsäule durch einen autorisierten Arzt durchgeführt. Sofern diese Untersuchung ein Funktionsdefizit der Wirbelsäule ergab, wurde seitens des G dem Betriebsarzt der Klägerin, der sämtliche Maßnahmen ebenso begleitete wie die Personalabteilung, ein Behandlungsvorschlag unterbreitet. Wurden die vorgeschlagenen Maßnahmen von diesem befürwortet, erfolgte ein Aufbauprogramm von 24 Trainingseinheiten, dessen Kosten die Klägerin dann zu 2/3 trug, wenn der Arbeitnehmer regelmäßig an diesem Training teilnahm. Dies bedeutet, dass die 24 Trainingseinheiten über einen Zeitraum von zwölf Wochen verteilt wurden. Die Trainingseinheiten der anschließenden Prävention, deren Kosten die Klägerin zur Hälfte übernahm, dauerte 3 Monate und mussten jeweils innerhalb von 7 bis 10 Tagen absolviert werden.

Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung überprüfte das Finanzamt L diesen Sachverhalt und gelangte zu der Auffassung, dass es sich um einen lohnsteuerpflichtigen Sachbezug derjenigen 129 Arbeitnehmer handele, die bis dahin an dieser Maßnahme teilgenommen hatten.

Daraufhin erließ der Beklagte nach Auswertung des Prüfberichts vom 05.08.2003, auf den bzgl. weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird, am 13.08.2003 den angefochtenen Haftungsbescheid, den die Klägerin erfolglos mit Einspruch anfocht. Die daraufhin erhobene Klage begründet sie wie folgt:

Der Nutzen des G-Konzepts sei allgemein medizinisch anerkannt. Ebenso sei bekannt, dass Bildschirmarbeitsplätze häufig zu Rückenleiden und entsprechenden krankheitsbedingten Ausfällen führten. Im Einzelnen wird auf die eingereichten Gutachten und wissenschaftlichen Artikel verwiesen. Ausweislich einer Krankheitsstatistik des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen seien jährlich bei allen Arbeitnehmern etwa 517, 1 Mio Ausfalltage zu verzeichnen. Von den rund 151 Mio Ausfalltagen, die durch Erkrankungen des Skeletts, der Muskeln und des Bindegewebes hervorgerufen würden, seien 96,6, das entspreche 64 %, auf den Rücken zurückzuführen. Um die Fehlzeiten der eigenen Arbeitnehmer und damit die ihr entstehenden ausfallbedingten Kosten so gering wie möglich zu halten, habe sie ihren Arbeitnehmern die Möglichkeit zur Teilnahme an dem G-Training eröf...

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