Entscheidungsstichwort (Thema)

Abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die Finanzbehörden dürfen für die Festsetzung und Zerlegung von GewSt-Messbeträgen nur insoweit über die abweichende Festsetzung als Billigkeitsgründen entscheiden, wie § 184 Abs. 2 AO den Finanzbehörden eine Zuständigkeit zuweist.

2) Der Sanierungserlass ist keine i.S. des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO relevante Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung oder einer obersten Landesfinanzbehörde.

3) Begehrt der Stpfl. eine Billigkeitsregelung dergestalt, entgegen der gesetzlichen Regelung der Verlustverrechnung in § 10a GewStG einen angefallenen Gewerbeertrag i.S. des § 7 GewStG aus dem Darlehensverzicht der Gesellschafter bereits früher zu verrechnen, ergibt sich für das FA auch keine sachliche Zuständigkeit nach § 184 Abs. 2 Satz 2 AO.

4) § 184 Abs. 2 Satz 2 AO ist als Ausnahmevorschrift nicht über seinen Wortlaut hinaus erweiternd auszulegen.

5) Bei Anwendung des Sanierungserlasses ist darauf abzustellen, ob die Voraussetzungen der Sanierungsbedürftigkeit, der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, der Sanierungseignung des Schulderlasses und die Sanierungsabsicht der Gläubiger kumulativ erfüllt sind; dies gilt auch bei Vorliegen eines Sanierungsplans.

 

Normenkette

AO §§ 184, 22; GewStG §§ 7, 10a; EStG § 10d; EStG a.F. § 3 Nr. 66; FGO § 102; KStG § 8 Abs. 1; AO § 163

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 11.07.2018; Aktenzeichen XI R 33/16)

BFH (Aktenzeichen I R 57/16)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Gewährung einer Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 AO.

Die Klägerin ist eine im Jahr … gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung, an der seit dem …2001 vier Gesellschaften mit jeweils 25 % am Stammkapital von … € beteiligt waren.

Neben dem Gesellschaftsvertrag hatten die Gründungsgesellschafter außerdem eine Gesellschaftervereinbarung abgeschlossen, wonach sie die Klägerin mit Beträgen bis zu jeweils … € als Beitrag oder Darlehen auszustatten hatten, falls diese entsprechenden Kapitalbedarf geltend machte. In der Folge war ein entsprechender Darlehensvertrag über insgesamt … € geschlossen worden.

Der vierte Gesellschafter trat anlässlich seines Eintritts in die Gesellschaft diesem Vertrag bei, so dass seither auf jeden Gesellschafter Darlehen von … € entfallen sollten. Im Jahr 2004 wurde das Stammkapital auf … € erhöht. An der Kapitalerhöhung nahmen alle vier Gesellschafter zu gleichen Teilen teil.

Gegenstand des Unternehmens war …

Im Jahr 2005 kam es im Zusammenhang mit einer weiteren Darlehensgewährung der Gesellschafter an die Klägerin, bei der einer der vier Gesellschafter die entsprechenden Summen nicht aufbringen konnte oder wollte, zu einer vertraglichen Absprache, wonach die drei anderen Gesellschafter die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellten und der vierte Gesellschafter dies entweder durch Rückzahlung oder durch die teilweise Übertragung seines Anteils tilgen konnte. Dies führte mit Wirkung zum 1. Januar 2006

zur teilweisen Anteilsübertragung, so dass ab diesem Zeitpunkt drei Gesellschafter mit jeweils 28,54 % und ein Gesellschafter mit 14,38 % an der Klägerin beteiligt waren. Wegen der Einzelheiten insoweit wird auf die Kopie des Vertrages Bezug genommen.

Die Betriebsergebnisse und Gesellschafterdarlehen der Klägerin stellen sich in den Jahren zwischen der Gründung und dem, dem Streitjahr vorangehenden, Jahr 2005 in auf volle 10.000 € gerundeten Zahlen wie folgt dar (vgl. Sanierungsplan und Anlage K 9):

Jahr

Verlust

Gesellschafterdarlehen

2001

… €

… €

2002

… €

… €

2003

… €

… €

2004

… €

… €

2005

… €

… €

Auf den 31. Dezember 2005 wurden daher der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf … € und der vortragsfähige Gewerbeverlust auf … € festgestellt.

Aufgrund der Verlustsituation kam es zur Aufstellung eines Sanierungsplans und zwischen dem 7. und 9. November des Streitjahres 2006 zum Abschluss einer Sanierungsvereinbarung, mit der die vier Gesellschafter auf die Rückzahlung der bisher aufgelaufenen Gesellschafterdarlehen einschließlich Zinsen sowie weitere Forderungen aus dem laufenden Geschäftsverkehr verzichteten. Weiterhin enthält die Sanierungsvereinbarung Regelungen zur Fortführung der bisherigen Geschäftsbeziehungen im Rahmen fortbestehender Lizenzverträge.

Mit Vertrag vom 2. November 2006 (Unterzeichnung ebenfalls vom 7. bis 9. November) übertrugen die drei anderen Gesellschafter ihre Gesellschaftsanteile zum Preis von jeweils ein oder zwei Euro auf die A KG als einzig verbleibender Gesellschafterin. Im Innenverhältnis hielt die alleinige Gesellschafterin 49 % der Gesellschaftsanteile an der Klägerin treuhänderisch für die frühere unmittelbare Gesellschafterin (zu 28,54 %), die B GmbH (vgl. Treuhand- und Kooperationsvertrag).

In dem Treuhandvertrag (§ 6 Abs. 4) erklärte der Treugeber seine Bereitschaft entsprechend seiner proportionalen Beteiligung Gesellschafterdarlehen zur Fortführung des Geschäftsbetriebes der Klägerin zur Verfügung zu st...

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