Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzverfahren; Frage der Geltendmachung v. Vorsteuer für Rechtsanwaltskosten

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei den strittigen Rechtsanwaltskosten fehlt der erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen einer Eingangs- und einer beabsichtigten Ausgangsleistung i.S.d. § 15 Abs. 1 UStG. Es fehlt die zum Vorsteuerabzug berechtigende Verknüpfung, wenn der Insolvenzverwalter in einer Phase, in der die unternehmerische Tätigkeit bereits beendet ist, lediglich Gesellschaftereinlagen zur Mehrung der Masse zurückfordert.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.09.2019; Aktenzeichen XI R 19/17)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger als Insolvenzverwalter der M S.a.r.l. & Co. KG, T, – im Folgenden Insolvenzschuldnerin – Vorsteuer für Rechtsanwaltskosten geltend machen kann, oder ob dem entgegensteht, dass die Rechtsanwaltskosten nicht dem operativen Geschäft der Insolvenzschuldnerin, sondern der Geltendmachung von Forderungen aus Kommanditistenhaftung dienten.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin. Gegenstand ihres Unternehmens war die Errichtung und der Betrieb eines Einkaufszentrums mit etwa … Geschäften, Dienstleistungsbetrieben sowie einem umfassenden Freizeitangebot. Die Insolvenzschuldnerin führte bis zur Veräußerung des Geschäftsbetriebs bis auf die Aufstellung eines Geldautomaten (0,1 %) ausschließlich steuerpflichtige Umsätze aus. An der Insolvenzschuldnerin waren mehr als 300 Kommanditisten beteiligt. Nach § 16 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages vom 12. September 1996 konnten an die Kommanditisten (gewinnunabhängige) Liquiditätsüberschüsse ausgeschüttet werden.

Im Insolvenzverfahren ließ der Kläger durch von ihm beauftragte Rechtsanwälte prüfen, ob Zahlungen an die Kommanditisten – gegebenenfalls teilweise – zurückzufordern seien, soweit hierdurch nicht nur Gewinne, sondern auch bereits geleistete Einlagen ausgeschüttet wurden, was zu negativen Einlagekonten geführt hätte (Anspruch nach § 172 Abs. 4 S. 1 des HandelsgesetzbuchesHGB –). Die hieraus resultierende persönliche Haftung der Kommanditisten für die Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin machte der Kläger nach § 171 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 93 der Insolvenzordnung – InsO – gerichtlich gegen die Kommanditisten geltend. Die hierfür in den Rechnungen der Rechtsanwälte ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von 4.981,27 € und 37.935,18 € machte der Kläger in den Umsatzsteuervoranmeldungen für das dritte und vierte Quartal 2012 als Vorsteuern geltend.

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ließ der Beklagte im angefochtenen Umsatzsteuerjahresbescheid 2012 vom 17. Dezember 2014, geändert durch Bescheid vom 22. Januar 2015, die vorgenannten Vorsteuern unberücksichtigt.

Den hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober 2015 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des UmsatzsteuergesetzesUStG – und Art. 168a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystR) sei der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er „Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwende”. Hierfür sei ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung erforderlich. Bei richtlinienkonformer Auslegung setze § 15 Abs. 1 S 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer Leistungen für sein Unternehmen und damit für seine wirtschaftliche Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtige. Die Ausgangsleistungen des Unternehmers müssten zudem steuerpflichtig oder der Steuerpflicht nach § 15 Abs. 3 UStG gleichgestellt sein. Fehle der direkte und unmittelbare Zusammenhang mit steuerpflichtigen Ausgangsleistungen, könne der Steuerpflichtige die Vorsteuer geltend machen, wenn die Kosten für die Eingangsleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen gehörten und als solche Bestandteil des Preises der von ihm erbrachten entgeltlichen Leistungen seien. Auch solche Kosten hingen direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen.

Auslöser der Rechtsanwaltskosten sei im Streitfall hingegen das Verhalten der Insolvenzschuldnerin gegenüber den Kommanditisten gewesen. Der Kläger habe gegen die Kommanditisten Forderungen geltend gemacht, die sich nicht auf die unternehmerische Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin bezogen hätten. Die Geltendmachung der Forderungen habe daher den persönlichen Interessen der Gesellschafter an der Einforderung ausstehender Einlagen gedient. Da ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit einzelnen steuerpflichtigen Leistungen der Insolvenzschuldnerin fehle, komme ein Vorsteuerabzug grundsätzlich nicht in Betracht. Da die Anwaltskosten auch nicht ausgegeben worden seien, um zielgerichtet Kapital für eine weitere unternehmerische Tätigkeit zu beschaffen, son...

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