Entscheidungsstichwort (Thema)

Kleinunternehmerregelung; Ermittlung der Umsatzgrenze bei der Differenzbesteuerung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Steuerbemessungsgrundlage für Umsätze, die der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG/Art. 315 MwStSystRL unterliegen, ist auf die Differenz (Handelsspanne) begrenzt, so dass das über die Differenz hinausgehende Entgelt bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes nach § 19 Abs. 1 S. 1 UStG unberücksichtigt bleibt.

 

Normenkette

MwStSystRL Art. 288, 315; UStG § 19 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.10.2019; Aktenzeichen XI R 17/19 (XI R 7/16))

BFH (Urteil vom 23.10.2019; Aktenzeichen XI R 17/19)

BFH (Beschluss vom 07.02.2018; Aktenzeichen XI R 7/16)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger für das Streitjahr 2010 die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 des UmsatzsteuergesetzesUStG – in Anspruch nehmen kann.

Der Kläger erzielte im Streitjahr 2010 steuerbare, der Differenzbesteuerung gemäß § 25a UStG unterliegende Umsätze aus einem Gebrauchtwagenhandel. In den Veranlagungszeiträumen bis einschließlich 2009 wurde der Kläger umsatzsteuerlich als Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 UStG behandelt, weil die von ihm erzielten Margen, auf die Abschnitt 251 Abs. 1 S. 4 i.V.m. Abschnitt 276a Abs. 8 der Umsatzsteuerrichtlinien – UStR – in der bis zum 31. Dezember 2009 geltenden Fassung für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung abstellte, unter 17.500 € lagen

Ausweislich der vorgelegten Steuererklärungen erzielte der Kläger in den Veranlagungszeiträumen 2009 und 2010 (Streitjahr) folgende Umsätze:

Jahr

Gesamtumsatz

Differenz

2009

27.358 €

17.328 €

2010

25.115 €

17.470 €

Im Hinblick auf die zum 1. Januar 2010 erfolgte Abschaffung der Regelung in Abschnitt 251 Abs. 1 S. 4 UStR 2010 versagte der Beklagte im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid vom 4. Oktober 2012 für das Streitjahr 2010 die Kleinunternehmerregelung, weil der Gesamtumsatz 2009 über der Grenze von 17.500 € gelegen habe.

Den hiergegen gerichteten Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2014 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 11. März 2014 Klage erhoben. Zur Begründung vertritt er die Auffassung, die für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung im Veranlagungszeitraum 2009 maßgeblichen Umsätze seien entsprechend der bis zum 31. Dezember 2009 gültigen Regelung in Abschnitt 251 Abs. 1 S. 4 UStR i.V.m. Abschnitt 276a Abs. 8 UStR nach den erzielten Margen und nicht nach dem erzielten Gesamtumsatz zu ermitteln.

Er habe frühestens ab dem 16. Juni 2009 von der Änderung der Rechtslage Kenntnis nehmen können. Es sei ihm nicht möglich gewesen, sein wirtschaftliches Handeln rückwirkend auf den 1. Januar 2009 zu ändern. Insbesondere habe er seinen Kunden rückwirkend keine Mehrwertsteuer in Rechnung stellen können. Der Vertrauensschutz des Bürgers in die Verlässlichkeit staatlichen Handelns müsse daher Vorrang haben.

Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid vom 4. Oktober 2012 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2014 aufzuheben, im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Er trägt vor, das Bundesministerium der Finanzen habe bereits mit Schreiben vom 16. Juni 2009 (BStBl I 2009, 755) die Sonderregelung in Abschnitt 251 Abs. 1 S. 4 UStR geändert. Hiernach sei Abschnitt 276a Abs. 8 UStR, der für die Kleinunternehmerregelung auf den Differenzbetrag abgestellt habe, ab dem 1. Januar 2010 nicht mehr anzuwenden. Das gelte auch für die Ermittlung der Vorjahresumsätze (2009), die für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung im Folgejahr (2010) maßgeblich seien. Da das BMF-Schreiben im Juli 2009 im Bundessteuerblatt veröffentlicht worden sei, habe der Kläger ausreichend Zeit gehabt, sich auf die geänderte rechtliche Situation einzustellen. § 19 UStG verstoße auch nicht gegen Art. 288 der MehrwertsteuersystemrichtlinieMwStSystRL –. Nach dieser Vorschrift setze sich der Umsatz für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung aus dem Betrag der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen zusammen, soweit diese besteuert würden. Ein Betrag einer Lieferung als solcher existiere hingegen nicht. Da Art. 288 Nr. 1 MwStSystRL einen „Umsatz” definiere, müsse die Bestimmung so ausgelegt werden, dass sie auf den betriebswirtschaftlichen (Gesamt-) Umsatz abstelle. Die Formulierung „… soweit diese besteuert werden” in Art. 288 Nr. 1 MwStSystRL sei daher so auszulegen, dass nur gänzlich steuerfreie Umsätze bei der Ermittlung der Umsatzgrenze unberücksichtigt blieben. Eine andere Auslegung führe dazu, dass Unternehmer, die aufgrund ihrer Größe mit Kleinunternehmern anderer Wirtschaftsbereiche nicht vergleichbar seien, unter die Kleinunternehmerregelung fallen könnten. Dem stehe die vom EuGH geforderte enge Auslegung der Sonderregelung für Kleinunternehmer entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid ist aufzuheben, weil er rechtswidrig ist und den Kläger i...

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