Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellungsverfahren und -bescheinigung, Bestätigung ausländischer Behörden, künstlerische Darbietung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die Klage auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, wenn der Freistellungsantrag erst nach Vergütungszahlung gestellt wurde, das zuständige Finanzamt die Steuer bereits i.H.v. 0,- €festgesetzt hat oder der Vergütungsgläubiger bereits eine Erstattung erhalten hat.

2) Tätigkeiten von Trägerkörperschaften von Orchestern, Theatern, Balletten, die auf Dauer im Wesentlichen ohne Gewinnerzielung tätig sind, sind nur gemäß Abschnitt 10 des Protokolls zum DBA-Österreich steuerfrei, wenn eine entsprechende Bestätigung der zuständigen Behörde im Ansässigkeitsstaat vorgelegt wird. Diese Bescheinigung kann nicht durch andere Unterlagen ersetzt werden.

3) Wird eine Gesamtdarstellung durch die künstlerische Darbietung geprägt, ist diese ungeachtet der technischen und organisatorischen Dienstleistungen in seiner Gesamtheit einheitlich als künstlerische Darbietung i.S.v. Art. 17 DBA-Österreich anzusehen.

4) Das Freistellungsverfahren nach § 50d Abs. 2 EStG begegnet keinen europarechtlichen Bedenken.

 

Normenkette

EStG § 49 Abs. 1 Nr. 2d, § 50a Abs. 4, § 50d Abs. 2 S. 1; DBA-Österreich Art. 7 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1-3; Protokoll DBA-Österreich Abschn. 10; AO § 37 Abs. 2; EStG § 43b

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.04.2018; Aktenzeichen I R 59/15)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin im Hinblick auf die von ihr in der Bundesrepublik Deutschland organisierten Theateraufführungen in der Zeit 2006/2007 einen Anspruch auf Freistellung von Kapitalertragsteuer hat.

Die Klägerin ist eine in Österreich ansässige GmbH. Ausweislich ihres Gesellschaftsvertrages vom …2006 besteht ihr Unternehmensgegenstand in der Veranstaltung von Konzerten, literarischen Abenden, Theaterabenden und dergleichen sowie in der Produktion, Koproduktion und Organisation von Tourneen und Gastspielen jeder Art im In- und Ausland.

Mit Anträgen vom 27. September, 2. Oktober und 23. Oktober 2006 (jeweils Posteingangsdatum) begehrte die Klägerin die Freistellung nach § 50d Abs. 2 EStG i.V.m. Art. 17 Abs. 3 DBA-Österreich für Vergütungen, die ihr im Zusammenhang mit tourneemäßigen Gastspielen verschiedener Künstlergruppen in der Zeit vom 24. September 2006 bis zum 29. Oktober 2007 in verschiedenen Auftrittsorten in der Bundesrepublik Deutschland zugeflossen sind. Insgesamt handelte es sich um 71 Veranstaltungen wie folgt:

Veranstaltungen, die im Zeitpunkt der Antragstellung bereits stattgefunden hatten: …

Veranstaltungen, die im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht stattgefunden hatten: …

Gemäß den Verträgen zwischen der Klägerin und den deutschen Veranstaltern war die vereinbarte Vergütung spätestens am Veranstaltungstag bis zur Auftrittspause fällig. Für die Veranstaltungen Nr. 9 am 25. Oktober 2006, Nr. 14 am 3. Oktober 2006 und Nr. 41 am 30. Oktober 2006, die vor der Antragstellung stattfanden, erfolgte die Zahlung gleichwohl erst nach der Antragstellung. Im Übrigen wurde das Honorar für die Veranstaltungen, die vor der Antragstellung durchgeführt wurden, am Veranstaltungstag und damit vor der Antragseinreichung gezahlt.

Im Laufe des Antragsverfahrens wurden durch verschiedene deutsche Veranstalter Abzugsteuern nach § 50a EStG angemeldet oder seitens der zuständigen Finanzämter Haftungsbescheide erlassen. Zum Teil wurde die Steuer durch die Finanzämter i.H.v. 0,– € festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Beklagten erstellte Übersicht Bezug genommen (Bl. 34 ff. der FG-Akte).

Für einen Teil der Veranstaltungen hat die Klägerin im Laufe des Verfahrens bereits Erstattungen von den jeweils örtlich zuständigen Finanzämtern erhalten.

Mangels Vorlage der von Art. 17 Abs. 3 DBA-Österreich geforderten Unterlagen lehnte der Beklagte die Anträge auf Erteilung von Freistellungsbescheinigungen gemäß § 50d Abs. 2 EStG mit Bescheiden vom 13. und 14. November 2007 ab.

Der hiergegen fristgemäß eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 2010 als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung ihrer hiergegen fristgemäß erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, dass sie bei den von ihr organisierten Theaterabenden gemischte Einkünfte erziele. Es handele sich zum einen um Einkünfte aus der Organisation von Theateraufführungen (Produktion, Technik, Transporte etc.) und zum anderen um Einkünfte aus der Verwertung einer künstlerischen Tätigkeit (Vergütungen, die an die mitwirkenden Künstler für ihren Auftritt bezahlt würden).

Die Einkünfte aus der Organisation von Theateraufführungen seien Einkünfte aus werkschaffender Tätigkeit und würden gewerbliche Einkünfte darstellen. Sie würden gemäß der BFH-Entscheidung vom 8. April 1997 (I R 51/96) nicht dem Steuerabzug unterliegen. Ergänzend werde auch auf die Entscheidungen vom 18. Juli 2001 (I R 26/01) und vom 28. Januar 2004 (I R 73/02) sowie auf den Kommentar zu Art. 17 Abs. 2 OECD-MA hingewiesen.

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