Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäftsführerhaftung für Steuerschulden einer insolventen Unternehmergesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Drittwirkung einer Steuerfestsetzung über den Wortlaut des § 166 AO hinaus auch in den Fällen besteht, in denen der Geschäftsführer einer GmbH als deren Vertreter die gegen sie ergangenen Steuerbescheide vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefochten hat, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aber keinen Widerspruch gegen die Feststellung dieser Steuerforderungen zur Tabelle erhoben hat.

 

Normenkette

AO §§ 34, 69, 191, 166; FGO § 69

 

Tatbestand

I.

Streitig ist in der Hauptsache, ob der Antragsgegner den Antragsteller zu Recht als Geschäftsführer der von ihm – dem Antragsteller – gegründeten Unternehmergesellschaft (UG) wegen rückständiger Umsatz- und Körperschaftsteuer zzgl. Nebenabgaben für das Jahr 2012 in Haftung genommen hat.

Mit notariellem Vertrag vom 17. April 2012 gründete der damals 24jährige Antragsteller die in A ansässige W Bauunternehmung UG (haftungsbeschränkt). Gegenstand des Unternehmens war die auftragsgemäße Durchführung von Rohbauarbeiten im Hochbau. Das Stammkapital der Gesellschaft betrug 100 € und wurde vollständig von dem Antragsteller übernommen. Dieser wurde zugleich zum Geschäftsführer der UG bestellt. Am 10. Mai 2012 wurde die Gesellschaft (unter der Nummer HRB 1) in das Handelsregister des Amtsgerichts A eingetragen. Die Gewerbeanmeldung bei der Stadt A erfolgte am …. Mai 2012. Vorgenommen wurde die Anmeldung – ebenso wie die am 26. September 2012 nachfolgende Ummeldung des Gewerbes – durch den Vater des Antragstellers unter Vorlage jeweils von diesem unterzeichneter Vollmachturkunden.

Ausweislich der Angaben im „Fragebogen zur steuerlichen Erfassung” der UG, bei dessen Beantwortung die Steuerberater C und P mitgewirkt haben, nahm die UG am 21. Mai 2012 ihre Geschäftstätigkeit auf. Ab dem 4. Juni 2012 sollten bei ihr drei Arbeitnehmer (einschließlich Antragsteller) beschäftigt sein. Die voraussichtliche Höhe des Gesamtumsatzes für das Jahr 2012 wurde mit 50.000 € prognostiziert. Die Umsatzsteuer sollte nach vereinbarten Entgelten (Sollversteuerung) berechnet werden. Außerdem wurden Dauerfristverlängerung für die Abgabe der monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen sowie die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b des EinkommensteuergesetzesEStG – (Steuerabzug bei Bauleistungen) beantragt. An deren Übersendung erinnerten die Steuerberater C und P den Antragsgegner unter dem 26. Juni 2012 mit der Begründung, der Antragsteller benötige die Freistellungsbescheinigung dringend, weil die UG bereits mit einem Auftrag begonnen habe.

Am 16. November 2012 beantragte der Antragsteller über seinen (damaligen) Bevollmächtigten, Herrn Rechtsanwalt D, bei dem zuständigen Amtsgericht A, wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der UG über deren Vermögen das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Mit Beschluss vom …. Dezember 2012 bestellte das Amtsgericht A Herrn Rechtsanwalt H in dem Insolvenzeröffnungsverfahren Az. 2 zum Sachverständigen mit dem Auftrag festzustellen, ob und ggf. welche vorläufigen Maßnahmen zu treffen sind, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und ob eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse vorhanden ist.

Ausweislich der Umsatzsteuerakte der UG wurden für diese für die Monate Mai bis September 2012 Umsatzsteuervoranmeldungen über ./.1.892,92 € (Mai), ./. 413 € (Juni), 2.892,20 € (Juli), 1.389,90 € (August) und 1.722,82 € (September) beim Antragsgegner abgegeben, denen Umsätze i.H. von 0 € (Mai), 5.042 € (Juni), 36.554 € (Juli), 58.823 € (August) und 16.401 € (September) sowie Vorsteuerabzugsbeträge zwischen 1.370,99 € und 9.786,58 € zugrundelagen. Dem Erhebungskonto der UG ist zu entnehmen, dass die für die Monate Mai bis September 2012 vorangemeldeten Beträge auch tatsächlich gezahlt bzw. erstattet worden sind.

Nachdem ab dem Voranmeldungszeitraum 10/2012 keine Voranmeldungen mehr für die UG eingereicht worden waren, schätzte der Antragsgegner deren Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO) und setzte mit Bescheiden vom 4. April 2013 für die Monate Oktober und November sowie mit Bescheid vom 10. April 2013 für den Monat Dezember 2012 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) Umsatzsteuervorauszahlungen i.H. von jeweils 3.909 € sowie einen Verspätungszuschlag von jeweils 170 € gegen die UG fest. Dabei ging er von steuerbaren Umsätzen (einschließlich Eigenverbrauch) von jeweils 28.100 € und abziehbaren Vorsteuerbeträgen i.H. von jeweils 1.430 € aus. Die Bescheide waren adressiert an die UG „c/o E” unter dessen Wohnanschrift in A, K-Straße ….

Mit Schreiben vom 21. Juni 2013 – ebenfalls versandt an die o.g. Anschrift – hörte der Antragsgegner den Antragsteller zur Prüfung der Voraussetzungen seiner Haftungsinanspruchnahme für die Steuerschulden der UG an und belehrte ihn über seine Verpflichtung, die erbetenen Auskünfte zu erteilen. Hierfür gewährte er ihm eine Frist bis zum ...

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