Revision eingelegt (BFH III R 49/18)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für ein erkranktes Kind, welches sich aus gesundheitlichen Gründen nicht um einen Ausbildungsplatz bemühen kann

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist ein Kind ausbildungswillig, aber zeitweise wegen einer Erkrankung nicht in der Lage, sich um einen Ausbildungsplatz zu bemühen, ist es ebenso zu behandeln wie ein Kind, das sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, einen solchen aber nicht findet und deshalb nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen ist.

2. Entgegen der Dienstanweisung der Familienkassen ist es nicht erforderlich, dass eine Erklärung des Kindes, aus der sich ergibt, dass das Kind plant, sich nach seiner Genesung zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn zu bewerben, bereits vorab vorgelegt wird. Die Ausbildungswilligkeit ist eine Tatsache, die vom Gericht zu beurteilen ist.

3. Es ist nicht schädlich, dass das voraussichtliche Ende der Erkrankung zunächst vom Arzt nicht mitgeteilt wurde. Eine solche Erklärung ist gerade bei psychischen Erkrankungen oft nicht möglich. Dies kann nicht zu Lasten des Kindergeldberechtigten gehen.

4. Auch Erkrankungen, die länger als 6 Monate dauern, führen nicht zwangsläufig zur einer Versagung der Kindergeldberechtigung gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG.

 

Normenkette

EStG §§ 32, 62-63

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.11.2020; Aktenzeichen III R 49/18)

 

Tatbestand

Es geht in diesem Verfahren um die Frage, ob dem Kläger das Kindergeld für seinen Sohn A im Zeitraum September 2016 bis Mai 2017 zusteht.

Der Sohn des Klägers wurde am ... 1997 geboren. Er brach während der 11. Klasse die Schule ab, weil er auf Grund von psychischen Problemen den schulischen Anforderungen nicht mehr entsprechen konnte. Zu dieser Zeit nahm er bereits seit Jahren Drogen. Seit Frühjahr 2015 befand sich der Sohn des Klägers in einer ambulanten Therapie. Von August 2015 bis Juli 2016 hatte der Sohn Minijobs bei zwei Arbeitgebern.

Im Sommer 2016 kam es in der ambulanten Therapie zu einem Durchbruch bei der Behandlung, welche in der Folge die Aufarbeitung der psychischen Probleme erst ermöglichte, zunächst aber zu einer stationären Therapie führte. Die stationäre Behandlung wurde vom ... August 2016 bis ... September 2016 durchgeführt. Anschließend setzte der Sohn des Klägers seine ambulante Therapie fort.

Im Juni 2017 hatte sich der Zustand des Sohnes soweit verbessert, dass er ein Praktikum bei einer Tischlerei absolvieren konnte.

Am 29. Juli 2017 beantragte der Kläger das Kindergeld für seinen Sohn. Er teilte mit, dass sein Sohn nach einer ca. einjährigen Beschäftigung als geringfügig Beschäftigter seit August 2016 erkrankt sei und in Kürze beabsichtige, eine Ausbildung anzufangen. Der Kläger reichte diverse Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für seinen Sohn ein. Die eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung betraf den Zeitraum ... September 2016 bis ... März 2017. In diesem Zusammenhang legte der Kläger einen ärztlichen Nachweis vom 26. Juni 2017 vor. Der behandelnde Arzt erklärte auf dem Formular, dass der Sohn des Klägers seit dem 1. September 2016 erkrankt ist und das Ende der Erkrankung nicht absehbar ist. Außerdem reichte der Kläger eine Willenserklärung seines Sohnes vom 26. Juni 2017 über seine Ausbildungswilligkeit ein.

Am 17. Juli 2017 reichte der Kläger auf Nachfrage der Familienkasse eine weitere schriftliche Erklärung des behandelnden Arztes ein. In dieser erklärte der behandelnde Arzt, dass das Ende der Erkrankung oder Arbeitsunfähigkeit nicht sicher vorausgesagt werden kann und zunächst der 31. Dezember 2017 angenommen wird.

Mit Bescheid vom 31. Juli 2017 lehnte die Beklagte für den Zeitraum ab August 2015 die Festsetzung des Kindergeldes ab. Hiergegen legt der Kläger am 22. August 2017 Einspruch ein, welcher durch Einspruchsentscheidung vom 29. September 2017 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Der Kläger hat am 30. Oktober 2017 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, dass sein Sohn auf Grund der Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, eine Willenserklärung über seine Ausbildungswilligkeit früher abzugeben. Er sei im streitigen Zeitraum ausbildungswillig gewesen. Dies könnten sowohl sein Sohn als auch seine behandelnden Therapeuten bestätigen.

Der Kläger beantragt,

den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 31. Juli 2017 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 29. September 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für seinen Sohn A für die Monate September 2016 bis Mai 2017 Kindergeld festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die in § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) aufgeführten Voraussetzungen nicht gegeben seien. Eine Berücksichtigung sei zwar auch dann möglich, wenn das Kind infolge einer Erkrankung daran gehindert sei, eine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen. Eine Berücksichtigung während einer Erkrankung setze jedoch voraus, dass diese Erkrankung und das voraussichtliche Ende der Erkrankung durch eine ärz...

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