Revision eingelegt (BFH VII R 70/11)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabenordnung/Zwangsvollstreckung bei Beitreibungshilfe: Voraussetzungen einer Pfändungsverfügung bei EU-Beitreibungshilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. a) Eine Pfändungsverfügung muss den Schuldgrund nur in einer Summe bezeichnen.

b) Die erforderlichen näheren, den Schuldgrund konkretisierenden Angaben können dem Vollstreckungsschuldner auch in der an ihn gerichteten Mitteilung über die Pfändung gemacht werden; sie müssen nicht schon in einer Anlage zur Pfändungsverfügung aufgenommen werden.

2. a) EU-Betreibungshilfe kann auch aufgrund eines nur durch E-Mail übermittelten ausländischen Vollstreckungstitels erfolgen.

b) An seinen früheren Bedenken, wonach eine amtliche Ausfertigung oder beglaubigte Kopie erforderlich sei, hält der Senat nicht mehr fest.

3. a) Die Gültigkeit von EU-Rechtsakten, z. B. die Vereinbarkeit von Ausführungsverordnungen der Kommission mit (höherrangigen) Richtlinien des Rates, kann ein Instanzgericht zwar prüfen und bejahen, es hat jedoch keine Verwerfungskompetenz.

b) Eine Ungültigerklärung würde eine Vorlage zum EuGH erfordern, entgegen dem Wortlaut von Art. 267 Abs. 2 AEUV auch durch ein Instanzgericht.

 

Normenkette

AO §§ 260, 309 Abs. 2 S. 2; EG-BeitrG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EGV 1179/2008 vom 28.11.2008 Art. 21 Abs. 1; RL 2008/55/EG des Rates vom 26.05.2008 Art. 7 Abs. 1; RL 2010/24/EU des Rates vom 16.03.2010 Art. 21 Abs. 1 Unterabsatz 2; EGV Art. 202, 211

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.12.2012; Aktenzeichen VII R 70/11)

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Pfändungsverfügung, die im Rahmen der Vollstreckung einer spanischen Steuerhaftungsschuld vom beklagten Finanzamt - FA - erlassen wurde.

I.

1. a) Der in Hamburg wohnhafte Kläger ist deutscher ... und spanischer "..." (...), geschäftsansässig in Hamburg und A (Finanzgerichtsakte - FG-A - Bl. 8R). Er war zudem einziger Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer (administrador único) der spanischen Gesellschaft "B", einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung spanischen Rechts (sociedad de responsabilidad limitada), ansässig im A. Gegenstand der Gesellschaft ist gemäß Artikel 2 ihrer Satzung Vermietung, Kauf, Verkauf, Bau und Unterhaltung von Grundstücken und Gebäuden sowie Erschließung und Parzellierung von Grundstücken.

b) Aufgrund einer Steuerprüfung im Februar 2003 wurde gegen die Gesellschaft in Spanien Körperschaftsteuer 2000 (impuesto sobre sociedades) festgesetzt, die von dieser nicht beglichen wurde und die in Spanien wegen dortiger Vermögenslosigkeit der Gesellschaft auch nicht vollstreckt werden konnte. Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens gegen die Gesellschaft überreichte deren Rechtsvertreterin am 17. April 2007 dem spanischen Finanzamt - FA - eine Auflistung von Gegenständen, die in den Büchern der Gesellschaft geführt wurden, im Gesamtwert von 200.011 Euro. Es handelt sich im Wesentlichen um Mobiliar (z. B. Teppiche, Sofas, Esstisch, Schränke, Fernseher, Heizkörper, Rasenmäher, Fahrräder), kategorisiert in Esszimmer, Wohnzimmer, Küche, Waschküche, Hauptschlafzimmer, Zimmer I, Zimmer II, Zimmer III, Zimmer IV, Gästezimmer, Empfangshalle, Büro, Badezimmer I, Badezimmer II, Badezimmer III, Geräte für den Außenbereich und Sonstiges. Angaben zum Gebrauchszustand oder zur Wertermittlung enthielt die Auflistung nicht (Anlageband 3 K 205/10, Fach Schriftsatz 20.10.2011, Anlage K 6). Am 10. August 2007 teilte die Vertreterin der Gesellschaft dem FA mit, die beweglichen, pfändbaren Güter befänden sich unter der Anschrift "Dr. C, X-Straße, D, E, Deutschland" (Anlageband 3 K 205/10, 1.Fach "zu Bl. 22 f", nicht foliiert).

c) Gleichwohl kündigte das spanische FA dem Kläger mit Verfügung vom 19. September 2007 die Haftungsinanspruchnahme an und gab Gelegenheit zur Stellungnahme (Übersetzung Anlageband 3 K 205/10, 1.Fach "zu Bl. 22 f", nicht foliiert).

d) Mit Haftungsbescheid (Acuerdo de Derivación de Responsabilidad) vom ... 2007 nahm das örtliche FA für Steuererhebung auf den F den Kläger wegen rückständiger Körperschaftsteuer 2000 (impuesto sobre sociedades) in Höhe vom 177.612,47 Euro in Anspruch (105.425,86 Euro Steuer zur Rechnungsnummer [clave de liquidación] XXX-5 und 72.186,61 Strafzuschlag zur Rechnungsnummer XXX-6, Anlageband 3 V 254/09 Anlage AS 8). Der Bescheid wurde dem Kläger am 20. ... 2007 zugestellt.

e) Hiergegen erhob der Kläger am 06. Februar 2008 Steuerbeschwerde (Anlageband 3 V 254/09 Anlage AS 4), die mangels Abhilfe durch das FA in einen Rechtsstreit vor dem regionalen Finanzgericht der F mündete. Ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz war im spanischen Verwaltungsverfahren erfolglos.

f) Die Steuerbeschwerde wurde im Wesentlichen darauf gestützt, dass das spanische FA den Kläger nicht hätte in Anspruch nehmen dürfen, ohne vorher auf die Güter der Gesellschaft zurückzugreifen. Nach spanischem Steuerrecht setze eine Inanspruchnahme des Klägers als subsidiären Schuldners voraus, dass der Hauptschuldner ausgefallen sei. Soweit da...

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