Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Berichtigungs- oder Änderungsmöglichkeit für das Finanzamt bei Fehlern in elektronisch übermittelten Lohnsteuerdaten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine zu einer Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO berechtigende offenbare Unrichtigkeit liegt nicht vor, wenn in der Einkommensteuererklärung in Papierform eine Eintragung zu der Höhe der im Bruttoarbeitslohn enthaltenen Versorgungsbezüge fehlt und das FA aufgrund der vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Lohnsteuerdaten einen zu niedrigen Betrag einträgt mit der Folge, dass zu Unrecht der Arbeitnehmer-Pauschbetrag und der Altersentlastungsbetrag gewährt werden (Anschluss an BFH-Urteil vom 16.01.2018 VI R 41/16, BStBl II 2018, 378).

2. Hat der Steuerpflichtige die Eintragung zu den Versorgungsbezügen in der Anlage N zur Einkommensteuererklärung versehentlich unterlassen, der Erklärung aber eine Lohnsteuerbescheinigung mit dem zutreffenden Betrag beigefügt, überwiegt der Pflichtverstoß des FA diesen Pflichtverstoß des Steuerpflichtigen deutlich und hindert nach Treu und Glauben eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn der Bearbeiter, der die Einkommensteuererklärung annimmt, dem Steuerpflichtigen die Lohnsteuerbescheinigung ungeprüft wieder aushändigt, weil das FA generell nur die elektronisch übermittelten Daten übernimmt.

 

Normenkette

AO § 129 S. 1, § 173 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 9a S. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 24a S. 1

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zur Änderung eines Einkommensteuerbescheides zuungunsten der Kläger befugt war.

Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2014 zusammen veranlagt. Der Kläger zu 1. (im Folgenden: Kläger; geb. am ...) war Beamter der Freien und Hansestadt Hamburg und zuletzt bei der A tätig. Seit 2009 erhielt er nur noch Versorgungsbezüge. Die Klägerin zu 2. bezog im Streitjahr 2014 eine Rente.

In der dem Kläger von seiner Arbeitgeberin übersandten Lohnsteuerbescheinigung vom 09.09.2014 war für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 30.09.2014 ein Bruttoarbeitslohn in Höhe von 29.221,11 € eingetragen. Die hierin enthaltenen Versorgungsbezüge sollten sich auf denselben Betrag belaufen. In einer weiteren Lohnsteuerbescheinigung vom 25.03.2015 für den Zeitraum vom 01.10.2014 bis zum 31.12.2014 waren ein Bruttoarbeitslohn in Höhe von 9.740,37 € und hierin enthaltene Versorgungsbezüge in identischer Höhe bescheinigt.

Am 23.09.2014 übermittelte die Arbeitgeberin des Klägers dem Beklagten elektronisch die Lohnsteuerdaten für den Kläger für Januar bis September und am 19.04.2015 die Daten für Oktober bis Dezember des Streitjahres, letztere allerdings ohne Angabe der Versorgungsbezüge in Höhe von 9.740,37 €. Für das Streitjahr übermittelt wurden mithin ein Bruttoarbeitslohn in Höhe von insgesamt 38.961,48 € und Versorgungsbezüge in Höhe von nur 29.221,11 €.

Am ... 2015 suchte der Kläger die Informations- und Annahmestelle (im Folgenden: IAS) des Beklagten mit der ausgefüllten Einkommensteuererklärung für 2014 und diversen Belegen auf. In der Anlage N war in Zeile 6 ein Bruttoarbeitslohn in Höhe von 38.961 € eingetragen. Die Zeile 11 ("Steuerbegünstigte Versorgungsbezüge, in Zeile 6 enthalten") enthielt keine Eintragung. Unter den Belegen befanden sich auch die beiden Lohnsteuerbescheinigungen der Arbeitgeberin. Die Sachbearbeiterin in der IAS hakte die entsprechenden Eintragungen in der Steuererklärung nach Prüfung der Belege ab und händigte dem Kläger die Belege wieder aus. Die Lohnsteuerbescheinigungen sah sich die Bearbeiterin wegen der vorliegenden elektronischen Daten vor der Rückgabe an den Kläger nicht an.

Die Steuererklärung wurde anschließend an die Eingangsstelle zum Scannen weitergegeben. Der in der Eingangsstelle tätige Bearbeiter ergänzte handschriftlich die in der Anlage N zur Einkommensteuererklärung fehlende Angabe zu den Versorgungsbezügen mit dem von der Arbeitgeberin elektronisch übermittelten Betrag von 29.221,11 €.

Der Beklagte erließ am 01.06.2015 den Einkommensteuerbescheid für 2014 (festgesetzte Steuer: 1.554 €). Hierin berücksichtigte er beim Kläger einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 38.961 €, einen Freibetrag für Versorgungsbezüge in Höhe von 3.276 €, Werbungskosten zu Versorgungsbezügen in Höhe von 102 € und - auf der Grundlage von Versorgungsbezügen lediglich in Höhe von 29.221 € und damit unterhalb des Bruttoarbeitslohns - den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 € sowie einen Altersentlastungsbetrag in Höhe von 1.368 €.

Am 17.06.2015 übermittelte die Arbeitgeberin des Klägers elektronisch korrigierte Daten für das Streitjahr. Die Versorgungsbezüge wurden nunmehr in Höhe von 38.961,48 €, also in voller Höhe des Bruttoarbeitslohns, übermittelt. Den Kläger informierte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 31.07.2015 darüber, dass die in dem zuvor übersandten Ausdruck der Lohnsteuerbescheinigung für Oktober bis Dezember 2014 enthaltenen Daten fehlerhaft gewesen seien, und übersandte eine Lohnsteuerbescheinigung vom 05.06.2015 für diesen Zeitraum, die allerding...

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