Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die elektronische Bereitstellung von Buchführungsdaten - Hinzuschätzung auf der Grundlage des höchsten Rohgewinnaufschlagsatzes des 80 %-Quantils

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die elektronische Bereitstellung von Buchführungsdaten umfasst auch die Verpflichtung, Programme zur Lesbarmachung der Daten zur Verfügung zu stellen.

2. Es stellt einen formellen Mangel der Buchführung dar, wenn Handbücher, Programmierprotokolle, die nachträgliche Änderungen dokumentieren, und sonstige Organisationsunterlagen des benutzten Kassensystems nicht vorgelegt werden können.

3. Die Methode der Quantilschätzung ist grundsätzlich geeignet, bei einer nicht ordnungsgemäßen Buchführung unter Heranziehung der betriebseigenen Daten eine Hinzuschätzung vorzunehmen. Da die Quantilschätzung denklogisch immer zu einem Mehrergebnis führt, bildet sie nur dann eine sachgerechte Schätzungsgrundlage, wenn aus anderen Gründen fest steht, dass die Buchführung nicht nur formell, sondern auch materiell unrichtig ist.

 

Normenkette

AO §§ 162, 147, 145-146

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller erwarb Ende 2008 mit Wirkung zum 01.01.2009 den Gastronomiebetrieb "A/1" in der X-Straße in Hamburg. Zuvor war er als Betriebsleiter des A/2-Restaurants in der Y-Straße tätig gewesen. Eine Eröffnungsbilanz wurde zum 01.01.2009 nicht erstellt. Das Restaurant in der X-Straße hat einen Gastraum mit etwa 85 Sitzplätzen und einen Außenbereich mit etwa 60 Sitzplätzen, der etwa ab Mai genutzt wird. Neben zwei Festangestellten (einem Koch und einem Betriebsleiter) werden ca. 16 Aushilfen beschäftigt. Die Aushilfen werden zum Monatsende in bar bezahlt. Die Lieferanten sind im Franchisevertrag vorgegeben. Die Lieferung erfolgt nach Bedarf, bei Bestellung am darauffolgenden Tag. Es wurde ein PC-gestütztes Kassensystem genutzt, dass von dem Vorbesitzer übernommen worden war. In den Streitjahren 2009 bis 2011 wurden in dem Restaurant fast ausschließlich Barumsätze erzielt.

Ende 2013 bis Anfang 2016 führte der Antragsgegner bei dem Antragsteller mit Unterbrechungen eine Betriebsprüfung für die Streitjahre durch. Der Betriebsprüfer beanstandete, dass in den Buchführungsunterlagen keine Z-Bons enthalten gewesen seien. Die vorgelegten maschinellen Ausdrucke enthielten unvollständige bzw. fehlerhafte Angaben, wie den Namen des Vorbesitzers des Restaurants, kein vollständiges Datum (Jahreszahl fehlte), keine Uhrzeit, keine fortlaufende Nummerierung, keine Angaben über den Zahlungsweg und keine Angaben zu Stornos. Obwohl Kellnerkonten in der Registrierkasse eingerichtet sein sollten, hätten Ausdrucke über diese Konten nicht vorgelegen. Organisationsunterlagen zur Kasse wie Bedienungsanleitung, Programmieranleitung, Programmierprotokolle hätten nicht vorgelegt werden können. Die auf einem USB-Stick ausgehändigten Kassendaten seien nicht lesbar gewesen; auch nach Aufforderung seien keine maschinell verwertbaren Daten zur Verfügung gestellt worden. Die von dem Antragsteller erklärten Bareinnahmen, Umsatzerlöse und der Wareneinkauf seien mithilfe der Summarischen Risikoprüfung auf Plausibilität hin überprüft worden. Die Prüfung der Tageskasseneinnahmen habe bei der Zweitziffernuntersuchung eine Gegenwahrscheinlichkeit von 100 % ergeben. Die Überprüfung der Tageseinnahmen anhand der logarithmischen Normalverteilung habe erkennen lassen, dass die erklärten Zahlen deutlich von der zu erwartenden Verteilungskurve abwichen. Die vorgelegten Buchführungsdaten für den Wareneinkauf und für die Erlöse seien mithilfe eines Zeitreihenvergleichs überprüft worden. Entgegen der Erwartung verliefen die aus diesen beiden Positionen erstellten Kurven nicht parallel, sondern wiesen erhebliche Gegenläufigkeiten (Wareneinkauf sinkt, Erlöse steigen) bzw. Ablösungen (Wareneinkauf bleibt unverändert, Erlöse steigen) auf. Darüber hinaus stiegen bzw. fielen die Erlöse ungleich stärker als der dazugehörige Wareneinkauf.

Aufgrund dieser Feststellungen verwarf der Betriebsprüfer die Buchführung als nicht ordnungsgemäß und nahm eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vor. Die Kassendaten seien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auf natürlichem Wege zustande gekommen. Der Prüfer ermittelte den Rohgewinnaufschlagssatz auf Basis der vorgelegten Buchführungsdaten in Höhe des 80 %-Quantils. Daraus ergab sich ein Rohgewinnaufschlagsatz von 228 %, der zu einem Mehrgewinn in 2010 in Höhe von ... € (... € zzgl. ... € USt) und in 2011 in Höhe von ... € (... € zzgl. ... € USt) führte. Für 2009 blieb es bei dem erklärten Rohgewinnaufschlagsatz von 235 %, eine Hinzuschätzung erfolgte nicht. Ergänzend wird auf den Bericht über die Außenprüfung vom 06.04.2016 sowie die Auswertungen der Summarischen Risikoprüfung Bezug genommen.

Der Antragsgegner erließ auf der Grundlage der Feststellungen der Betriebsprüfung am 26.04.2016 geänderte Steuerbescheide und setzte die Einkommensteuer für 2010 auf ... € und für 2011 auf ... €, die Umsatzsteuer für 2010 auf ... € und für 2011 auf ... € sow...

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