Entscheidungsstichwort (Thema)

Präferenzbehandlung für Waren aus dem israelisch kontrollierten Teil des Westjordanlandes

 

Leitsatz (amtlich)

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird im Hinblick auf folgende Fragen um Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Wege der Vorabentscheidung ersucht:

Ist dem Einführer einer Ware, die ihren Ursprung im Westjordanland hat, die begehrte Präferenzbehandlung im Hinblick darauf, dass die Präferenzbehandlung in zwei in Betracht kommenden Abkommen - nämlich dem "Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits" (EMA) sowie dem "Europa-Mittelmeer-Interassoziationsabkommen über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zugunsten der Palästinensischen Behörde für das Westjordanland und den Gaza-Streifen andererseits" (EMI-PLO) - für Waren vorgesehen ist, die ihren Ursprung in dem Gebiet des Staates Israels bzw. im Westjordanland haben, auf jeden Fall zu gewähren, auch wenn nur ein formelles Ursprungszeugnis aus Israel vorgelegt wird?

Falls die Frage 1) mit "Nein" zu beantworten ist:

Ist die Zollbehörde eines Mitgliedsstaates im Verhältnis zu einem Einführer, der für eine in das Gebiet der Gemeinschaft eingeführte Ware die Gewährung der Präferenzbehandlung begehrt, nach dem EMA an einen Ursprungsnachweis der israelischen Behörde gebunden - und das Prüfungsverfahren nach Art. 32 EMA-Prot. 4 nicht eröffnet -, solange die Zollbehörde keinen anderen Zweifel an der Ursprungseigenschaft der Ware hat als den Zweifel, ob die Ware nicht aus einem Gebiet stammt, das lediglich unter israelischer Kontrolle steht - nämlich nach dem Israelisch-Palästinensischen Interimsabkommen von 1995 - und solange kein Verfahren nach Art. 33 EMA Prot. 4 durchgeführt wurde?

Falls die Frage 2) mit "Nein" zu beantworten ist:

Darf die Zollbehörde des Einfuhrlandes dann, wenn auf ihr Prüfungsersuchen nach Art. 32 Abs. 2 EMA-Prot. 4 von den israelischen Behörden (nur) bestätigt worden ist, dass die Waren in einem Gebiet hergestellt worden seien, dass unter israelischer Zollzuständigkeit stehe und sie somit israelischen Ursprungs seien, und wenn die daraufhin ergangene Aufforderung der Einfuhrzollbehörde um nähere Darlegung von den israelischen Behörden unbeantwortet geblieben ist, bereits aus diesem Grund die Präferenzbehandlung ohne weiteres verweigern, insbesondere ohne dass es noch darauf ankommt, welchen Ursprung die Ware tatsächlich hat?

Falls die Frage 3) mit "Nein" zu beantworten ist:

Darf die Zollbehörde die Präferenzbehandlung nach dem EMA ohne weiteres deswegen verweigern, wenn - wie inzwischen feststeht - die Ware ihren Ursprung im Westjordanland hat, oder ist die Präferenzbehandlung nach dem EMA auch für Waren dieses Ursprungs zu gewähren, jedenfalls solange kein Streitbeilegungverfahren nach Art. 33 EMA Prot. 4 über die Auslegung des Abkommensbegriffs "Gebiet des Staates Israel" durchgeführt worden ist?

 

Normenkette

ZK Art. 20 Abs. 1; EMA-Israel Art. 33, 32 Abs. 2; EMIA-PLO Art. 5-6, 25, 73

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 25.02.2010; Aktenzeichen C-386/08)

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Einfuhrabgaben. Die Beteiligten streiten über den Ursprung der eingeführten Waren. Bei den Waren handelt es sich um ... sowie ... und ..., die der Lieferant der Klägerin, die Fa. A, Israel, die ein ermächtigter Ausführer im Sinne von Art. 23 EMA-Prot. 4 ist, hergestellt hat.

1.

Die Fa. A hat die Waren in ihrer Produktionsstätte gelegen in dem Ort B (belegen bei dem Ort C) hergestellt.

B liegt im Westjordanland, östlich von Jerusalem. Dieses Gebiet ist von Israel 1967 besetzt worden und unterfällt nach dem am 28. September 1995 geschlossenen Israelisch-Palästinensischen Interimsabkommen (auch „Oslo-II“ genannt) der unter israelischer Kontrolle stehenden Gebiete der „Kategorie C“.

2.

a) Die Klägerin hat in der Zeit zwischen dem 13. Februar 2002 und dem 29. Juni 2002 mit insgesamt 62 Zollanmeldungen die Überführung der Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr beantragt. Als Ursprungsland wurde „Israel“ angemeldet und unter Angabe des entsprechenden Codes „300“ die Anwendung der Zollpräferenz beantragt. Es wurden die Rechnungen des Lieferanten vorgelegt, auf denen er bestätigt, dass es sich um Ware mit Ursprung in Israel handele.

b) Das Zollamt nahm die Zollanmeldungen an und überließ die Waren zu dem beantragten Zollverfahren unter Gewährung der begehrten Zollpräferenz.

Das Zollamt setzte die Einfuhrabgaben aber nicht abschließend fest, da die Ergebnisse von nachträglichen Prüfungsersuchen hinsichtlich der Präferenznachweise abgewartet werden sollten.

3.

a) Das beklagte Hauptzollamt (HZA) hat im Juni und Oktober 2002 Ersuchen um nachträgliche Prüfung von Präferenznachweisen an die Zentralstelle Ursprungsnachprüfung (ZUN) in Münster gerichtet. Als Grund für die nachträgliche Prüfung w...

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