Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer/Grundgesetz: Verfassungswidrigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsen und Mieten

 

Leitsatz (amtlich)

Die Hinzurechnung der Entgelte für Schulden sowie der Miet- und Pachtzinsen gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a, d und e GewStG hält das Gericht für verfassungswidrig. Die Regelungen verstoßen gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und sind nicht hinreichend gerechtfertigt.

 

Normenkette

GewStG 2008 § 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 2; EStG 2008 § 4 Abs. 5b; FGO § 86 Abs. 1

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 15.02.2016; Aktenzeichen 1 BvL 8/12)

 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über die Abziehbarkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe sowie über die Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens im Rahmen der Gewerbesteuer.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform der GmbH Tankstellen mit Shop und Waschstraße. Die zum Betrieb wesentlichen Betriebsgrundlagen pachtete die Klägerin von der A GmbH entgeltlich an. Im Jahr 2008 entstanden der Klägerin Entgelte für Schulden in Höhe von insgesamt ... EUR sowie für die Miete/Anpachtung von beweglichen Wirtschaftsgütern, die im Eigentum eines anderen standen, Aufwendungen in Höhe von insgesamt ... EUR und für die Miete/Anpachtung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern, die im Eigentum eines anderen standen, Aufwendungen in Höhe von insgesamt ... EUR. Die Pachten bezogen sich auf Wirtschaftsgüter, die für den Fall, dass sie im Eigentum der Klägerin gestanden hätten, deren Anlagevermögen zuzurechnen gewesen wären. In ihrer Körperschaftsteuererklärung 2008 ermittelte die Klägerin ein zu versteuerndes Einkommen von ... EUR. Hierbei berücksichtigte sie als nichtabziehbare Aufwendungen u. a. Körperschaftsteuer in Höhe von ... EUR, Solidaritätszuschlag in Höhe von ... EUR und Gewerbesteuer in Höhe von ... EUR. In ihrer Gewerbesteuererklärung 2008 erklärte die Klägerin bei den Hinzurechnungsbeträgen neben den Entgelten für Schulden die Aufwendungen für die Benutzung fremder beweglicher und unbeweglicher Betriebsanlagegüter. Der Beklagte erließ am ... erklärungsgemäß einen Gewerbesteuermessbescheid für 2008, wobei er den Gewerbesteuermessbetrag auf ... EUR festsetzte. Hiergegen legte die Klägerin am ... Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom ... zurückwies.

Am ... erhob die Klägerin Klage.

Sie ist der Auffassung, die Hinzurechnung der Gewerbesteuer im Rahmen der Ermittlung der Körperschaftsteuer, was der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags zugrunde gelegt werde, sei verfassungswidrig, da die Hinzurechnung sowohl gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) als auch gegen Art. 14 GG verstoße. Die Aufwendungen für die Gewerbesteuer seien dem Wesen nach Betriebsausgaben, die nach dem Gebot der Folgerichtigkeit zu berücksichtigen seien. Durch das Verbot des Abzugs der Aufwendungen für die Gewerbesteuer werde ein Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum durch Erhöhung der Körperschaftsteuer intensiviert. Die Eingriffe seien nicht zu rechtfertigen. Der Gesetzgeber habe mit der Neufassung des § 4 Abs. 5b des Einkommensteuergesetzes (EStG) maßgeblich die Gegenfinanzierung der Absenkung des Körperschaftsteuersatzes im Blick gehabt. Auch eine beabsichtigte Verwaltungsvereinfachung genüge als Rechtfertigungsgrund nicht. Im konkreten Fall führe die Vorschrift dazu, dass der Klägerin nicht das durch das objektive Nettoprinzip geschützte Existenzminimum verbleibe und sie keine angemessene Gegenleistung für das eingesetzte Kapital sowie für die geleistete Arbeit erhalte.

Des Weiteren ist die Klägerin der Auffassung, die Hinzurechnung der Pachtzinsen für die Benutzung fremder beweglicher und unbeweglicher Betriebsanlagegüter sei verfassungswidrig. Die Besteuerung verstoße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip. Die Hinzurechnung der Pachtzinsen für die wesentlichen Betriebsgrundlagen der Klägerin führe auf Dauer gesehen zu einer realen Existenzgefährdung der Klägerin. Die Gewerbesteuer habe sich im Vergleich zur früheren Rechtslage nahezu verdreifacht und habe erdrosselnde Wirkung. Es liege ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG vor, der nicht gerechtfertigt sei. Die Hinzurechnung führe zu einer Existenzgefährdung der Klägerin, die auf die gepachteten Wirtschaftsgüter nicht verzichten könne. Zumindest könne im Jahr 2008 allenfalls ein Hinzurechnungsprozentsatz von höchstens 50 v. H. für die Pachtzinsen für die Benutzung fremder unbeweglicher Betriebsanlagegüter anzuwenden sein. Die mehrmalige Absenkung des Prozentsatzes auf nunmehr 50 v. H. im Erhebungszeitraum 2010 sei deshalb erfolgt, weil die Prozentsätze von vornherein zu hoch angesetzt worden seien. Der Gesetzgeber habe die Grenze der verfassungsrechtlich zulässigen Typisierung mit der Festlegung der Hinzurechnungsprozentsätze im Streitjahr überschritten.

Die Klägerin beantragt,

den Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2008 vom ....

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