Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkünfte aus Kapitalvermögen – Variabel verzinsliche Schuldverschreibungen (sog. Floater) – Negative Marktrendite – Voraussetzung des Vorliegens einer Kapitalforderung i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Finanzprodukte, bei denen sowohl die Kapitalrückzahlung als auch die Zahlung eines Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängen, fielen bis einschließlich 2008 nicht in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F., da die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlusts als negative Marktrendite das Vorliegen einer Kapitalforderung i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG voraussetzt.
  2. Als tief nachrangige, eigenkapitalähnliche Verbindlichkeiten ausgestaltete variabel verzinsliche Schuldverschreibungen (sog. Floater) mit unendlicher Laufzeit, die im Falle der Insolvenz der Emittenten nur dann zurückgezahlt werden, wenn zuvor alle nicht-nachrangigen und bestimmte nachrangige Verbindlichkeiten vollumfänglich bedient worden sind, und bei denen die Zinszahlungen daran geknüpft sind, dass die Eigenkapitalausstattung der Emittenten – nach Bedienung aller vorrangigen und bestimmter gleichrangiger Anleger - eine Ausschüttung ermöglicht, erfüllen nicht die Voraussetzungen einer sonstigen Kapitalforderung i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG.
 

Normenkette

EStG i.d.F. vom 13.12.2006 § 20 Abs. 1 Nr. 7; EStG i.d.F. vom 13.12.2006 § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 2; EStG i.d.F. vom 13.12.2006 § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.10.2015; Aktenzeichen VIII R 70/13)

BFH (Urteil vom 27.10.2015; Aktenzeichen VIII R 70/13)

 

Tatbestand

Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten aus der Veräußerung von Wertpapieren.

Die Klägerin erwarb im Jahr 2005 von dem „X Bank …” Wertpapiere, zum Nennwert von insgesamt 100.000,- Euro. Ebenfalls im Jahr 2005 erwarb sie von der „Y …” Wertpapiere, zum Nennwert von insgesamt 200.000,- Euro.

Bei beiden Wertpapiertypen handelt es sich um Schuldverschreibungen mit unendlicher Laufzeit. Die Emittenten haben das Recht, die Schuldverschreibungen zu von ihnen bestimmten Zeitpunkten zu kündigen und (vorbehaltlich der Genehmigung der Versicherungsaufsicht) zurückzuzahlen. Ob und wann die Kündigung ausgeübt wird, steht im freien Ermessen der Emittenten. Ein Kündigungsrecht des Anlegers besteht nicht.

Die Schuldverschreibung der X Bank bietet nach den Emissionsbedingungen für die ersten fünf Jahre eine feste Verzinsung (Kupon) von 6 % p.a. Danach wird sie mit dem Vierfachen der Differenz zwischen dem 10-Jahres Euro Swapsatz und dem 2-Jahres Euro Swapsatz zum jeweiligen Fixing verzinst, wobei die minimale Verzinsung 3,5 % p.a. und die maximale Verzinsung 10,00 % p.a. entspricht.

Die Schuldverschreibung der Y wird nach den Emissionsbedingungen für den Zeitraum 25. Januar 2005 bis 24. Januar 2009 mit einem festen Satz von 5 % p.a. verzinst. Ab dem 25. Januar 2009 wird sie ebenfalls mit dem Vierfachen der Differenz zwischen dem 10-Jahres Euro Swapsatz und dem 2-Jahres Euro Swapsatz verzinst. Die minimale Verzinsung beläuft sich auf 3,00 % p.a. und die maximale Verzinsung auf 10,00 % p.a.

Bei beiden Anlageformen sind die Kuponzahlungen - sowohl in der Festzinsphase als auch in der Phase der variablen Verzinsung - nicht-kumulativ (d.h. mit der Möglichkeit zum Kuponaufschub ohne Verpflichtung zur Nachzahlung) ausgestaltet. Die Kuponzahlungen sind zudem davon abhängig, dass die Eigenkapitalausstattung der Emittenten eine Ausschüttung erlaubt (vgl. hierzu z.B. S. 11f. der Y-Produktinformation, ESt-Akte). Die Verpflichtungen der Emittenten aus den Schuldverschreibungen sind laut den Emissionsprospekten tief nachrangig, d.h. sie gehen den Ansprüchen von allen nicht-nachrangigen Gläubigern sowie bestimmten nachrangigen Gläubigern im Rang nach. Die Verpflichtungen gehen dem Aktienkapital und sämtlichen Aktiengattungen der Emittenten im Rang vor.

Im Streitjahr 2008 veräußerte die Klägerin beide Anleihen und erzielte hierbei Verluste in Höhe von insgesamt ./. 121.000,- Euro (./. 32.500,- Euro aus der X Bank-Anleihe und ./. 89.000,00 Euro aus der Y-Anleihe, vgl. Bl. 11 der Erträgnisaufstellung vom 11.02.2009).

Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2008 machte die Klägerin einen Verlust von ./. 80.043,- Euro als negative Kapitaleinkünfte (Anlage KAP Zeile 32) geltend. Diesen Verlust berechnete sie wie folgt:

Zinsen aus ausländischen Anleihen

23.926,65 Euro

Seite 9 Erträgnisaufstellung

Erträge aus ausländischen Investmentanteilen

17.531,20 Euro

Seite 11 Erträgnisaufstellung

Zwischensumme

41.457,85 Euro

Negative Marktrendite

./. 121.500,00 Euro

Seite 15 Erträgnisaufstellung

Summe

./. 80.042,15 Euro

Im Einkommensteuerbescheid 2008 vom 21.01.2010 erkannte das Finanzamt (FA) den Verlust zunächst teilweise, nämlich in Höhe von ./. 66.146,00 Euro, an. Diesen Verlust errechnete das FA, indem es dem geltend gemachten Verlust von ./. 80.042,15 Euro eine auf das Wertpapier … entfallende Ertragsthesaurierung von 13.895,40 (Seite 11, Erträgnisaufstell...

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