Entscheidungsstichwort (Thema)

Heimunterbringungskosten als außergewöhnliche Belastung - Mitverursachung der Unterstützungsbedürftigkeit durch unentgeltliche Grundstücksübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Aufwendungen des durch eine 10 Jahre zuvor erfolgte unentgeltliche Grundstücksübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt begünstigten Neffen für die Unterbringung der Tante in einem Pflegeheim sind als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, wenn die Unterstützungsbedürftigkeit seiner Tante durch die Annahme der Grundstücksübertragung deshalb nicht adäquat kausal mit verursacht wurde, weil sie auf den nicht voraussehbaren Rückgang der vorbehaltenen Mieterträge sowie die Entwicklung der Pflegekosten zurückzuführen ist und es sich bei dem Mietwohngrundstück um schwer verwertbares Vermögen handelt (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 12. November 1996 (III R 38/95, BFHE 182, 64, BStBl II 1997, 387).
  2. Maßgebend für die Ermittlung des Jahreswerts des vorbehaltenen Nießbrauchsrechts als verwertbares Vermögen der Tante sind die tatsächlich erzielten Nettoerträge.
 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1; BewG § 14 Abs. 1, 4, § 15

 

Streitjahr(e)

2005, 2006

 

Tatbestand

Streitig ist die Berücksichtigung von Heimunterbringungskosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -.

Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2005 und 2006 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter.

Durch Vertrag vom 30. Dezember 1994 hat die damals 77 Jahre alte Tante des Klägers diesem im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Mietwohngrundstück in A-Stadt übertragen. Zugleich behielt sie sich an dem übertragenen Grundbesitz den lebenslänglichen, unentgeltlichen Nießbrauch vor. Nach dem Übertragungsvertrag betrugen der Jahreswert des Nießbrauchsrechts 33.970 DM und der Verkehrswert des Grundbesitzes 475.000 DM. Bis zum Umzug in ein Pflegeheim nutzte die Tante des Klägers eine in dem Objekt belegene Wohnung zu eigenen Wohnzwecken. Die übrigen fünf Wohnungen wurden vermietet. Die Mieteinnahmen der Tante des Klägers betrugen im Jahr 2005 11.466,84 EUR (11.160 EUR Miete zuzüglich 306,84 EUR Einnahmen aus Plakatwerbung) und im Jahr 2006 14.680,62 EUR (14.578,34 EUR Miete zuzüglich 102,28 EUR Einnahmen aus Plakatwerbung), die Werbungskosten 7.947,95 EUR (1.814,07 EUR Handwerkerrechnungen zuzüglich 6.133,88 EUR Umlagen) bzw. 9.368,68 EUR (3.234,80 EUR Handwerkerrechnungen zuzüglich 6.133,88 EUR Umlagen).

Mit Bescheiden vom 4. Dezember 2007 veranlagte der Beklagte den Kläger zur Einkommensteuer 2005 und 2006. Dagegen legte der Kläger rechtzeitig Einspruch ein und machte u.a. Kosten für die Heimunterbringung seiner im Jahr 2007 verstorbenen Tante i. H. v. 14.590,77 EUR (2005) bzw. 13.829,03 EUR (2006) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Aus entsprechenden Bescheinigungen der als Betreiberin des Pflegeheims ging hervor, dass in den Streitjahren neben der Kostenübernahme durch die Pflegekasse (Pflegestufe II) und den Rentenbeträgen insgesamt Zahlungen i. H. v. 22.492,15 EUR (2005) bzw. 13.263,01 EUR (2006) für die Heimunterbringung geleistet worden waren, von denen 19.864,55 EUR (2005) bzw. 7.318,27 EUR (2006) auf Banküberweisungen oder Barzahlungen des Klägers entfielen. Die Differenzbeträge i. H. v. 2.627,60 EUR (2005) bzw. 5.944,74 EUR (2006) waren vom Mietkonto der Tante des Klägers bezahlt worden.

Mit Bescheiden vom 12. Juni 2008 half der Beklagte den Einsprüchen - unter hier nicht streitigen Gesichtspunkten - teilweise ab.

Durch Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2009 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, der Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung stehe - neben dem Wert des zurückbehaltenen Vermögens der Tante des Klägers - entgegen, dass der Kläger die Unterstützungsbedürftigkeit seiner Tante dadurch adäquat mitverursacht habe, dass er sich deren Vermögen zuvor habe übertragen lassen. Dies stehe der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen entgegen. Die Tante des Klägers habe neben ihrem Altersruhegeld nicht über ausreichende Mittel verfügt, um die notwendigen Kosten für ihre Unterbringung und Pflege im Pflegeheim selbst zu tragen. Dieser Gesichtspunkt sei vom Kläger selbst nicht aus einer Zwangslage heraus und nicht unfreiwillig, sondern eigenverantwortlich und entscheidend dadurch mitverursacht worden, dass er das Mietwohnhaus unentgeltlich übernommen habe. Er habe daher dazu beigetragen, dass der Tante des Klägers im Streitzeitraum keine ausreichenden Mittel zur Verfügung standen, um ihren infolge der Pflegebedürftigkeit erhöhten Bedarf zu decken. Der übernommene Wert, d.h. das mit einem Nießbrauchsrecht belastete Grundstück, sei in den Jahren 2005 und 2006 auch noch nicht aufgezehrt gewesen. Die Tante des Klägers sei bei Übergabe des Mietwohngrundstücks bereits 77 Jahre alt gewesen. In diesem Alter müsse selbst ohne sichtbare Anzeichen mit dem Eintritt der Pflegebedürftigkeit gerechnet werden. Bei v...

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