vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnsteuernachforderung gegenüber dem Arbeitnehmer - Bindung an unrichtige Anrufungsauskunft

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Wird ein Arbeitnehmer nicht von Amts wegen zur Einkommensteuer veranlagt und stellt er auch keinen Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 EStG, wird die Differenz der Jahreseinkommensteuer und der vom Arbeitgeber einbehaltenen Lohnsteuer durch Lohnsteuernachforderungsbescheid festgesetzt.
  2. Die Finanzbehörde ist bei einer dem Arbeitsgeber erteilten unrichtigen Anrufungsauskunft nicht daran gehindert, im Lohnsteuernachforderungsverfahren dem Arbeitnehmer gegenüber einen ungünstigeren Rechtsstandpunkt zu vertreten.
  3. Ein von dem Wohnsitzfinanzamt erlassener Lohnsteuernachforderungsbescheid kann nicht wegen der möglicherweise gegebenen örtlichen Zuständigkeit des Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers oder wegen Unterschreitung eines möglicherweise eingeräumten Ermessens aufgehoben werden, wenn das Betriebsstättenfinanzamt - ggf. aufgrund eines dahin eingeschränkten Ermessens - keine andere Entscheidung in der Sache hätte treffen können.
 

Normenkette

EStG § 38 Abs. 2 S. 1, § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 1, §§ 42e, 46 Abs. 4 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 8; AO §§ 19, 127; FGO § 102

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.10.2013; Aktenzeichen VI R 44/12)

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines gegenüber dem Kläger erlassenen Lohnsteuernachforderungsbescheids.

Der Kläger ist Arbeitnehmer der „G-GmbH”. Die GmbH war zunächst Mitglied der Zusatzversorgungskasse (ZVK) der Stadt „E-Stadt”. Mit der Mitgliedschaft verfolgte sie den Zweck, ihren Arbeitnehmern beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis einen zusätzlichen Versorgungsanspruch zu verschaffen. Entsprechend einer am 10. Januar 2001 abgeschlossenen Vereinbarung übernahm die ZVK „L-Stadt” das Vermögen der ZVK „E-Stadt”. Die bisherigen Mitglieder der ZVK „E-Stadt” wurden mit Wirkung ab dem 01. Januar 2001 Mitglieder der ZVK „L-Stadt”. Zum Ausgleich der mit der Übernahme der ZVK „E-Stadt” für die ZVK „L-Stadt” verbundenen Nachteile hatte die ZVK „E-Stadt” eine Ausgleichszahlung (sog. Nachteilsausgleich) an die ZVK „L-Stadt” zu leisten. Der Nachteilsausgleich belief sich für die GmbH auf „...” Mio. DM. Der Betrag war ab 2001 in 15 gleichen Raten zu zahlen. Die GmbH leistete den Nachteilsausgleich jedoch in weniger als 15 Raten. Sie behandelte die Zahlungen des Nachteilsausgleichs als erhöhte Umlage und erhob Lohnsteuer mit einem Pauschalsteuersatz gem. § 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Soweit die Zahlungen die Pauschalierungsgrenze überstiegen, unterwarf die GmbH die entsprechenden Beträge dem Regelbesteuerungsverfahren.

Mit Urteil vom 14. September 2005 VI R 148/98 (Bundessteuerblatt - BStBl - II 2006, 532) entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass die Nachteilsausgleichszahlungen keinen Arbeitslohn darstellten. Im Anschluss an diese Entscheidung beantragte die GmbH beim zuständigen Betriebsstättenfinanzamt „E-Stadt” eine Anrufungsauskunft nach § 42e EStG, wonach es ihr erlaubt sei, sämtliche zu Unrecht versteuerte Nachteilsausgleichszahlungen der Jahre 2002 bis 2005 im laufenden Lohnsteuerzahlungszeitraum des Jahres 2006 in Form negativer Einnahmen zu korrigieren. Diesem Antrag gab das Betriebsstättenfinanzamt am 29. Juni 2006 statt. Die GmbH machte in der Lohnsteuerabrechnung für September 2006 von der Auskunft Gebrauch und verrechnete die laufenden Bruttoarbeitslöhne ihrer Mitarbeiter mit negativen Einnahmen im Umfang der jeweils auf die Nachteilsausgleichszahlungen abgeführten Lohnsteuer, auch soweit das Jahr 2001 betroffen war. Mit Schreiben vom 20. September 2006 widerrief das Betriebsstättenfinanzamt seine Anrufungsauskunft vom 29. Juni 2006. Die dagegen von der GmbH erhobene Klage war in der Revisionsinstanz erfolgreich. Der BFH hob die Aufhebungsverfügung des Betriebsstättenfinanzamts vom 20. September 2006 mit Urteil vom 02. September 2010 VI R 3/09 (BStBl II 2011, 233) auf.

Am 21. November 2008 erhielt der Beklagte (das Finanzamt - FA -) als Wohnsitzfinanzamt des Klägers eine Kontrollmitteilung der Zentralen Außenprüfungsstelle Lohnsteuer (ZALSt). Die ZALSt informierte das FA darüber, dass die GmbH als Arbeitgeber des Klägers im Lohnsteuerzahlungszeitraum September 2006 den Bruttoarbeitslohn des Klägers um 4.082,63 Euro gemindert habe. Die GmbH sei unzutreffenderweise davon ausgegangen, dass in dieser Höhe negativer Arbeitslohn des Klägers vorgelegen habe. Bei dem Betrag handele es sich um die Summe der in den Jahren 2001 bis 2005 individuell versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen der GmbH an die ZVK „L-Stadt”.

Das FA erließ daraufhin am 12. Dezember 2008 einen Bescheid über die Festsetzung von nachzufordernder Lohnsteuer sowie von nachzuforderndem Solidaritätszuschlag. Der Lohnsteuernachforderungsbetrag wurde auf 1.154 Euro und der Solidaritätszuschlag auf 63,47 Euro festgesetzt. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

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