Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzung von Gewinnen bei unzureichender Aufklärung durch den Steuerpflichtigen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bei einer elektronisch unterstützten Kassenführung muss das System programmmäßige Sicherungen und Sperren beinhalten, die schon vom Zeitpunkt der ersten Speicherung an verhindern, dass einmal eingegebene Daten der nachträglichen Änderung preisgegeben sind.
  2. Ist ein Kassensystem auf Manipulationen geradezu angelegt, gibt dies zu erheblichen Zweifeln an der Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung Anlass.
  3. Drastische Schwankungen der Rohgewinnaufschlagsätze bei der Verprobung einer Speisegaststätte im Rahmen eines Zeitreihenvergleichs lassen auf die sachliche Unrichtigkeit der Buchführung schließen.
  4. Bei der danach gebotenen Schätzung kann von dem Erfahrungssatz ausgegangen werden, dass Getränke- und Speiseumsätze bei Speisegaststätten in einem Verhältnis von 30 zu 70 stehen.
 

Normenkette

AO § 146 Abs. 4, §§ 158, 162

 

Streitjahr(e)

2000, 2001, 2002, 2003, 2004

 

Tatbestand

Der Kläger betrieb in den Streitjahren das China-Restaurant. Die angefochtenen Änderungs- und Aufhebungsbescheide vom 12.9.2006 wegen Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2000 und 2001 sowie gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2000 und 31.12.2001 und die Bescheide vom 21.9.2006 wegen Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2002 bis 2004 sowie gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer und gesonderter Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2000, den 31.12.2001, den 31.12.2002, den 31.12.2003 und den 31.12.2004 beruhen auf den Feststellungen einer steuerlichen Betriebsprüfung für die Jahre 2000 bis 2004. Die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2000 und der Einkommensteuerfestsetzungen 2000 bis 2004 erfolgte gestützt auf § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Die übrigen Umsatzsteuerfestsetzungen standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Feststellungsbescheide über einen verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer wurden nach § 10 d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geändert und aufgehoben. Die Aufhebungsbescheide zu den Feststellungen der vortragsfähigen Gewerbeverluste beruhen auf § 35 b Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG).

Der Betriebsprüfer war zu dem Ergebnis gekommen, dass erhebliche Umsatz- und Gewinnzuschätzungen vorzunehmen seien. Auf den Zwischenbericht vom 31.5.2006 für die Jahre 2002 bis 2004 und den abschließenden Prüfungsbericht vom 31.8.2006, nach Erweiterung des Prüfungszeitraums um die Jahre 2000 und 2001, wird in vollem Umfang Bezug genommen.

Im Laufe der Prüfung war dem Finanzamt von der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Z-Stadt eine sog. Kontrollmitteilung über die ausgestellten Rechnungen des Unternehmens B an den Kläger für den Zeitraum 2/2001 bis 9/2004 übersandt worden (Schreiben der Steuerfahndungsstelle Z-Stadt vom 2.2.2006, (Blatt 202 bis 223 der Prüferhandakte Band I). Das Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden firmierte in Deutschland unter einer Postadresse in Y-Stadt. Gegen die Beschlagnahme der auf einer Festplatte gespeicherten Kundendaten (insgesamt u.a. ca. 268.000 Rechnungen an deutsche Kunden) anlässlich einer Durchsuchung bei der B im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens war in den Niederlanden ein Gerichtsverfahren anhängig, das durch Urteil vom 14.12.2006 des Hohen Rates (höchstes Niederländisches Gericht) abgeschlossen wurde. Darin wurde die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme bestätigt.

Durch die Fahndungsermittlungen hatte sich der Verdacht bestätigt, dass die Firma B „Schwarzeinkäufe” ermöglichte, indem sie unter anderem Kunden auch unter einer zweiten Kundennummer belieferte, zwei Rechnungen für den Kunden gleichen Datums erteilte und immer gegen Barzahlung beim Fahrer auslieferte.

Die vorerwähnten Rechnungsdaten des Klägers bei der Firma B weisen eine aufsteigende, wenn auch nicht fortlaufende Nummerierung auf. Demgegenüber sind die Rechnungsdaten nicht, entsprechend der aufsteigenden Nummerierung, chronologisch aufeinanderfolgend. Vielmehr wurden in verschiedenen Zeiträumen in einer Vielzahl von Fällen Rechnungen früheren Datums als bereits verbuchte Rechnungen unter einer höheren Rechnungsnummer erfasst.

Vom Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen X-Stadt war dem Beklagten bereits am 10.8.2005 eine Kontrollmitteilung überlassen worden, wonach der Kläger am 12.6.2000 (vgl. auch Anlageverzeichnis des Klägers) von der Firma C einen Computer nebst Monitor und Drucker sowie Kassensoftware gekauft hatte. Bei dem Kassenprogramm handele es sich um ein Produkt der Firma D in W-Stadt. Nach einer Archivmitteilung Nr. 16/01 der Oberfinanzdirektion W-Stadt, beruhend auf Feststellungen der Steuerfahndungsstelle V-Stadt, erlaube diese Software auf der „Chef-Ebene” beliebige nachträgliche Manipulationen der gebuchten Daten, die im Nachhinein nicht mehr nachzuvollziehen seien. Der Zugriff auf die Änderungsfunktionen sei nur mittels eines „Chef-Kennwortes...

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