Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwendungen für Diätverpflegung bei Getreideallergie nur bei Übersteigen der Zumutbarkeitsgrenzen als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch bei unterstelltem Nichteingreifen des Abzugsverbots für Diätaufwendungen können Verpflegungsmehrkosten aufgrund einer Getreideallergie (Zöliakie) nur als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, soweit sie die gesetzlich definierte zumutbare Belastung übersteigen.

2. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Zumutbarkeitsgrenzen bestehen nicht, solange dem Steuerpflichtigen unter Anwendung dieser Regelung ein über dem Existenzminimum liegendes verfügbares Einkommen verbleibt.

3. Eine Erhöhung der pauschalierten Steuerfreistellung des Existenzminimums wegen krankheitsbedingten individuellen Mehrbedarfs ist nach der Systematik des Einkommensteuerrechts nicht geboten, weil insoweit die Vorschriften über den Abzug außergewöhnlicher Belastungen eingreifen.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 6, § 33 Abs. 1, 2 S. 3, Abs. 3; GG Art. 6 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

1999

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 09.10.2003; Aktenzeichen III B 139/02)

 

Tatbestand

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1999) machten die Kläger unter anderem Aufwendungen für diätetische Lebensmittel für ihren Sohn T in Höhe von 550,77 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Zur Begründung führten die Kläger an, der Sohn leide an Zöliakie, einer Allergie gegen Weizen, Roggen und Gerste. Deshalb sei eine spezielle Diät erforderlich, die den Einkauf der Lebensmittel in Reformhäusern und spezialisierten Bäckereien erforderlich mache.

Im Einkommensteuerbescheid vom 28.8.2002 erkannte der Beklagte zwar die Aufwendungen dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen an. Steuerliche Auswirkungen ergaben sich nicht, weil die zumutbare Eigenbelastung (5394 DM) nicht überschritten wurde.

Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein. Zur Begründung wiesen sie darauf hin, die notwendigen Mehraufwendungen für die Lebensmittel erhöhten das Existenzminimum der Familie. Die erforderlichen glutenfreien Lebensmittel seien deutlich teurer als normale Lebensmittel. Dies habe zur Folge, dass eine zumutbare Belastung nicht mehr abgezogen werden dürfte. Ferner sei zu berücksichtigen, dass Zöliakieerkrankte bei der Sozialhilfe einen erhöhten Satz erhielten.

Am 9.2.2001 erging auf Grund einer Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ein Änderungsbescheid. Dabei erhöhte sich der Betrag der zumutbaren Eigenbelastung auf 5448 DM.

Mit Einspruchsentscheidung vom 9.5.2002 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, nach dem Willen des Gesetzgebers seien Diätaufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen anzusetzen, so dass die Aufwendungen im angefochtenen Einkommensteuerbescheid zu Unrecht als außergewöhnliche Belastung anerkannt worden seien. Eine steuerliche Auswirkung ergebe sich durch den fehlerhaften Ansatz jedoch nicht, da die zumutbare Eigenbelastung die geltend gemachten Aufwendungen übersteige. Aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts zum Familienlastenausgleich ergebe sich kein Anspruch auf die Berücksichtigung der Aufwendungen ohne Ansatz der zumutbaren Eigenbelastung, da das Bundesverfassungsgericht als Maßstab für die Bemessung der Kinderfreibeträge ausschließlich auf den Mindestbedarf abgestellt habe. Eventuelle sozialhilferechtliche Mehrbedarfsbeträge seien nicht zu berücksichtigen. Im Einkommensteuerrecht seien derartige Mehrbedarfsbeträge, wie z.B. Verpflegungsmehrbedarf bei Erkrankungen, im Rahmen des § 33 EStG zu berücksichtigen. Im Übrigen schlösse § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG den Abzug von Aufwendungen für eine spezielle Ernährung ausdrücklich aus.

Mit der dagegen am 8.6.2001 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Sie tragen vor, nach Schätzungen sei etwa eine von tausend Personen an Zöliakie erkrankt. Die Krankheit sei nicht heilbar und bliebe lebenslang bestehen. Die einzig wirkungsvolle Therapie sei eine glutenfreie Diät. Nur deren konsequente Einhaltung sichere ein symptomfreies Leben und eine normale Lebenserwartung. Besonders problematisch sei die Beschaffung von Lebensmitteln, die üblicherweise Mehl enthielten. Hierfür müssten Lebensmittel beschafft werden, die teurer seien als normale Lebensmittel. Deshalb erhöhten die Mehrkosten für die Lebensmittel das Existenzminimum der Familie. Auch der Umstand, dass der Mehrbedarf bei der Bemessung der Sozialhilfe von Zöliakiekranken berücksichtigt werde, sei ein Indiz dafür, dass sich das Existenzminimum erhöhe. Nach dem Preisstand von 1997 sei für glutenfreie Ernährung von einem monatlichen Mehrbedarf von 130 DM auszugehen.

Die Kläger sind der Ansicht, dass die steuerliche Nichtberücksichtigung einer lebenslang notwendigen Diät verfassungswidrig sei. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinen Entscheidungen zum Familien...

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