Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäftsführer als Haftungsschuldner für Lohnsteuer bei Insolvenz der Kapitalgesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Nichtabführung der Lohnsteuer im Dreimonatszeitraum vor Insolvenzantrag begründet mangels Kausalität der Pflichtverletzung keine Haftung des gesetzlichen Vertreters einer Kapitalgesellschaft, wenn der Insolvenzverwalter die Befriedigung der Finanzbehörde wegen deren Kenntnis von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit hätte anfechten und die geleisteten Zahlungen zurückfordern können.
  2. Ein Bargeschäft i.S. von § 142 InsO, das nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, nämlich bei vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung angefochten werden kann, ist in der Abführung der Lohnsteuer nicht zu sehen.
 

Normenkette

InsO § 17 Abs. 2 S. 1, §§ 130, 142; AO § 34 Abs. 1, § 69; EStG § 38 Abs. 3 S. 1, § 41a

 

Streitjahr(e)

2000

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.06.2007; Aktenzeichen VII R 30/06)

 

Tatbestand

I.

Der Kläger wendet sich gegen seine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner für Lohnsteuer gemäß § 69 i. V. m. § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977).

Der Kläger war Mehrheitsgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der „A” GmbH (GmbH), die in „B” einen Copyshop betrieb. Nach § 3 seine Geschäftsführervertrags oblag ihm die Leitung und Überwachung des Unternehmens im Ganzen. Er hatte die Arbeitgeberrechte und -pflichten im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahrzunehmen.

Der Kläger gab für die Monate Mai bis Dezember 2000 Lohnsteuer-Anmeldungen ab, mit denen er Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer und römisch-katholische Kirchenlohnsteuer in folgender Höhe anmeldete:

Zeitraum

Gesamtbetrag

Eingangsdatum

05/2000

1.806,32 DM

12.04.2001

06/2000

2.245,85 DM

12.04.2001

07/2000

2.282,81 DM

16.08.2000

08/2000

2.282,81 DM

16.08.2000

09/2000

1.659,80 DM

23.03.2001

10/2000

1.659,35 DM

12.04.2001

11/2000

2.805,09 DM

12.04.2001

12/2000

2.805,09 DM

12.04.2001

17.547,12 DM

Abgeführt wurden die angemeldeten Beträge nicht. Der Kläger stellte am 9. März 2001 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH. Das Amtsgericht (AG) „B” bestellte daraufhin durch Beschluss vom selben Tag einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Durch Beschluss vom 1. Mai 2001 eröffnete es wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH.

Der Beklagte nahm durch Haftungsbescheid vom 11. Mai 2001 den Kläger gemäß den §§ 34, 69 AO 1977 auf Zahlung der rückständigen Lohnsteuer der Arbeitnehmer der GmbH für Dezember 1998 und Mai bis Dezember 2000 in Anspruch. Wegen der dafür gegebenen Begründung und der Zusammensetzung des geforderten Betrags wird auf den Bescheid verwiesen. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als der Beklagte den Haftungsbescheid aufhob, soweit er den Monat Dezember 1998 betraf, und die Haftungsschuld für die Monate Oktober bis Dezember 2000 nach Maßgabe der am 12. April 2001 eingegangenen Lohnsteuer-Anmeldungen herabsetzte. Die Haftungsschuld für August 2000 setzte er aufgrund einer Verrechnung der rückständigen Lohnsteuer für diesen Monat mit einem Umsatzsteuerguthaben der GmbH um 662 DM herab. Die Haftung für Säumniszuschläge beschränkte er auf die Hälfte der bis zum 9. März 2001 entstandenen Säumniszuschläge. Die Haftungsschuld minderte sich dadurch von 20.512,99 DM auf 14.487,64 DM. Den weitergehenden Einspruch hielt der Beklagte aus den Gründen der Einspruchsentscheidung, auf die Bezug genommen wird, für unbegründet.

Mit der daraufhin erhobenen Klage macht der Kläger in tatsächlicher Hinsicht geltend, dass der Beklagte die Zahlung der für das Jahr 2000 angemeldeten Lohnsteuerbeträge nicht angemahnt habe. Er habe auch keine Vollstreckungsmaßnahmen zur Beitreibung der Rückstände eingeleitet. Aktivitäten habe der Beklagte erst entfaltet, als ihm der Antrag der GmbH auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bekannt geworden sei. Er habe den Arbeitnehmern der GmbH die Nettolöhne ausgezahlt. Seine Eltern hätten die Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung beglichen. Über weitere Mittel zur Tilgung sonstiger öffentlich-rechtlicher Schulden habe er nicht verfügt.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die unterlassene Einbehaltung und Abführung der angemeldeten Lohnsteuerbeträge unter Adäquanzgesichtspunkten nicht kausal für den dem Beklagten entstandenen Schaden sei, weil der Beklagte trotz rechtzeitiger Abgabe der Lohnsteuer-Anmeldungen nichts unternommen habe, um bei der GmbH als der eigentlichen Steuerschuldnerin die angemeldeten Beträge zu erheben. Die Anmeldungen für Juli und August 2000 habe er zeitnah abgegeben. Gleiches gelte für die Monate Mai und Juni 2000. Bei den für diese Monate abgegebenen, dem Haftungsbescheid zugrunde gelegten Anmeldungen vom 7. April 2001 handele es sich um berichtigte Anmeldungen. Die ursprünglichen Anmeldungen für diese Monate seien zeitnah abgegeben worden.

Hinsichtlich der Monate Oktober bis Dezember 2000 sei ihm eine quota...

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