Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Bildung einer Rückstellung wegen drohender Verluste aus schwebenden Geschäften

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Das Verbot der Bildung von Drohverlustrückstellungen setzt nach dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 4a EStG voraus, dass mit der Aufnahme der Rückstellung in die Bilanz ein entsprechender Aufwand verbunden ist.
  2. Eine im Jahr 1998 im Rahmen eines Anschaffungsgeschäfts (Übernahme eines Geschäftsbereichs mit sämtlichen Aktiva und Passiva) – entsprechend der Bilanzierung bei dem Verkäufer – steuerneutral als Anschaffungskosten ausgewiesene Rückstellung für die Übernahme von Mietverträgen muss daher nicht gewinnerhöhend aufgelöst werden.
 

Normenkette

EStG 1997 § 5 Abs. 4 Buchst. a, § 52 Abs. 6 a

 

Streitjahr(e)

1998

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.12.2009; Aktenzeichen I R 102/08)

 

Tatbestand

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren ein Unternehmen zur Erbringung von interaktiven multimedialen Diensten.

Im Rahmen einer Außenprüfung für das Jahr 1998 durch das Finanzamt für „BP” stellte der Prüfer u. a. fest, dass die Klägerin durch Kauf- und Übertragungsvertrag vom „September” 1998 sämtliche dem Bereich „X” zuzuordnenden aktiven und passiven Wirtschaftsgüter zu einem Kaufpreis von 3.060.528,00 DM von der Firma „N-GmbH”, „E-Stadt” („N-GmbH”), erworben hatte. Im Rahmen dieses Erwerbes habe die Klägerin auch zwei Verträge zur Anmietung eines „S” sowie einer „B” von der „N-GmbH” übernommen. Da beide Mietverträge bereits für die „N-GmbH” keinen wirtschaftlichen Nutzen mehr versprachen, habe diese eine entsprechende Drohverlustrückstellung in Höhe von 819.015,00 DM gebildet. Mit der Übernahme des Geschäftsbereichs „X” durch die Klägerin, habe diese die entsprechenden Drohverlustrückstellungen im Erwerbszeitpunkt (30.09.1998 0 Uhr) passiviert und zum 30.09.1998 (Bilanzstichtag) beibehalten.

Der Prüfer war dagegen der Auffassung, dass die Klägerin zwar verpflichtet gewesen sei, die entsprechende Drohverlustrückstellung im Zeitpunkt des Erwerbes zu bilden, der Ansatz einer Drohverlustrückstellung in der Schlussbilanz zum 30.09.1998 jedoch nach § 5 Abs. 4 a Einkommensteuergesetz (EStG) nicht mehr zulässig sei. Der Prüfer schlug daher vor, die Rückstellung zum 30.09.1998 aufzulösen und den Gewinn der Klägerin um 819.015,00 DM zu erhöhen.

Der Beklagte folgte den Vorschlägen des Außenprüfers und erließ entsprechend geänderte Bescheide zur Körperschaftsteuer 1998, zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1998 und über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 Abs. 1 KStG zum 30.09.1998, jeweils vom 03.12.2003. Die dagegen erhobenen Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 26.01.2004 als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage vom 27.02.2004 macht die Klägerin geltend, dass der Beklagte den Gewinn zu Unrecht um 819.015,00 DM erhöht habe. Sowohl nach Handels- als auch nach Steuerrecht sei der Anschaffungsvorgang des Bereichs „X” bei der Klägerin als Erwerberin erfolgsneutral zu erfassen. Folglich ergäben sich für die bei der „N-GmbH” als Verkäuferin bilanzierten Drohverlustrückstellungen Anschaffungskosten für die Klägerin zum 30.09.1998 in Höhe von 819.015,00 DM. Denn die Übernahme der Verpflichtung aus den streitigen Mietverträgen stelle eine Gegenleistung des Käufers dar und führe folglich zu Anschaffungskosten. § 5 Abs. 4 a EStG finde auf den Anschaffungsvorgang jedoch keine Anwendung.

Hinzu komme, dass die Übernahme der Verpflichtung in Rahmen des Kaufes und damit im Innenverhältnis zum Verkäufer erfolge. Es handele sich daher tatsächlich bei der gebildeten Rückstellung um eine solche für ungewisse Verbindlichkeiten und nicht um eine solche für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften.

In der Schlussbilanz der Klägerin zum 30.09.1998 seien die erworbenen „Rückstellungen” nach allgemeinen Bewertungsvorschriften fortzuführen. § 5 Abs. 4 a EStG finde keine Anwendung, da Drohverlustrückstellungen in der Bilanz zum 30.09.1998 nicht gebildet, sondern zuvor erworben worden seien. Soweit der Beklagte die Auffassung vertrete, die Drohverlustrückstellung sei zum Erwerbszeitpunkt in der Buchführung zu berücksichtigen, in der Bilanz zum 30.09.1998 jedoch aufzulösen, sei dieses widersprüchlich. Sollte § 5 Abs. 4 a EStG überhaupt eingreifen, müsse das Verbot zur Bildung von Drohverlustrückstellungen auch für den Erwerbszeitpunkt gelten, da zu diesem Zeitpunkt die entsprechende Rückstellung „gebildet” worden sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung der angefochtenen Bescheide den Gewinn um 819.015,00 DM zu vermindern.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die von ihm vorgenommene Behandlung der Rückstellung sei nicht widersprüchlich, da Ansatz und Bewertung zu unterschiedlichen Zeiten eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würden. Hierbei resultiere der unterschiedliche Wertansatz daraus, dass für den Zeitpunkt des Erwer...

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