Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderausgabenabzug bei Festsetzung von Nachforderungs- und Hinterziehungszinsen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Nachforderungszinsen sind mangels tatsächlicher und wirtschaftlicher Belastung des Steuerpflichtigen mit abzugsfähigen Aufwendungen nicht mehr als Sonderausgaben zu berücksichtigen, soweit sie bei der nachfolgenden Festsetzung von Hinterziehungszinsen angerechnet werden.
  2. Der Hinterziehungszinsbescheid stellt in diesem Fall einen Korrekturbescheid im Verhältnis zu dem weiterhin bestehenden Bescheid über die Festsetzung von Nachforderungszinsen dar.
  3. Demgegenüber bleibt der Sonderausgabenabzug unberührt, wenn die Finanzbehörde auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen verzichtet, weil sich aufgrund der Anrechung von Nachforderungszinsen voraussehbar kein abzurechnender Mehrbetrag ergibt.
 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 5, § 12 Nr. 3; AO §§ 157, 233a, 235 Abs. 5, § 239 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

1998

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.11.2004; Aktenzeichen XI R 30/04)

 

Tatbestand

Streitig ist der Sonderausgabenabzug von bei der Hinterziehungszinsenfestsetzung angerechneter Nachforderungszinsen.

Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Auf Grund einer Selbstanzeige wegen unzutreffender Erklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen in den Jahren 1986 bis 1996 änderte der Beklagte 1998 die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1989 bis 1996 und änderte bzw. erließ erstmals Vermögensteuerbescheide für 1989 bis 1996. In den Steuerbescheiden wurden Nachforderungszinsen gemäß § 233 a der Abgabenordnung (AO) i.H.v. insgesamt 25.734 DM festgesetzt, die von den Steuerpflichtigen im Streitjahr 1998 bezahlt worden sind. Mit Bescheiden vom 4. Januar 1999 und vom 25. Mai 1999 setzte der Beklagte Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO unter Anrechnung der Nachforderungszinsen fest. Hinterziehungszinsen wegen hinterzogener Vermögensteuer auf den 01.01.1993 und 01.01.1994 setzte der Beklagte nicht fest, weil sich unter Anrechnung der Nachforderungszinsen von 800 DM (1993) und 811 DM (1994) kein verbleibender Zahlungsbetrag ergab. In der Einkommensteuererklärung für 1998 erklärten die Kläger 24.780 DM für Nachforderungszinsen als Sonderausgaben. Der Beklagte ließ den Sonderausgabenabzug nicht zu (Einkommensteuerbescheid vom 20. Juli 1999). Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 21. Juni 2002).

Mit der Klage tragen die Kläger vor:

Die Finanzverwaltung stelle in ihrer Rechtsauffassung auf eine materielle Umqualifizierung der Nachforderungszinsen in Hinterziehungszinsen ab. Diese Auffassung werde weder vom Gesetz noch durch Rechtsprechung oder Kommentierung getragen. § 235 AO regele nur die Anrechnung von Zinsen nach § 233 a AO, nicht deren Umqualifizierung. Der Zinsbescheid nach § 233 a AO stelle den Grundlagenbescheid für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen dar. Für Zinsen nach § 233 a AO und § 235 AO bestünden unterschiedliche Ausgangslagen. Durch eine Vermengung käme es de facto zu einer Zinsfreistellung von nachzuzahlenden Steuern während des Zeitraums der Hinterziehung und damit zu einer Besserstellung des Hinterziehers gegenüber dem lediglich säumigen Steuerzahler.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 1. Juli 2003 durch Anerkennung von Sonderausgaben i.H.v. 25.735 DM abzuändern,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er nimmt auf die Einspruchsentscheidung vom 21. Juni 2002 Bezug.

Während des Klageverfahrens hat der Beklagte den angefochtenen Einkommensteuerbescheid wegen nachträglicher Änderungen bei Beteiligungseinkünften geändert (Änderungsbescheid vom 1 Juli 2003).

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet.

A.

Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind bei der Einkommensteuer 1998 von den Klägern gezahlte Nachforderungszinsen von insgesamt 1.611 DM als Sonderausgaben bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens zu berücksichtigen. Der Beklagte hat für die auf Grund der Selbstanzeige der Kläger festgesetzte Vermögensteuer auf den 01.01.1993 und den 01.01.1994 Nachforderungszinsen gemäß § 233 a AO in Höhe von 800 DM und 811 DM festgesetzt. Hinterziehungszinsen nach § 235 AO wegen dieser Steuern sind vom Beklagten nicht festgesetzt worden.

Zwar findet sich in den für die Kläger geführten Steuerakten eine Berechnung des Bearbeiters des Beklagten, in der dieser zu dem Schluss gelangt ist, dass sich nach Anrechnung der Nachforderungszinsen kein Hinterziehungszinszahlungsbetrag ergibt. Eine Festsetzung auf 0 DM ist aber unterblieben. Einen schriftlichen Steuerbescheid hat und wollte der Beklagte nicht erteilen. Denn dem Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen vom 25. Mai 1999 für hinterzogene Vermögensteuer anderer Veranlagungszeiträume ist unter „D. Erläuterungen” zu entnehmen, dass für die Vermögensteuer 1993 und 1994 eine Festsetzung von Hinterziehungszinsen...

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