Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzungsfrist für Zinsen nach § 233a AO: Hemmung nach § 171 Abs. 10 Satz AO aufgrund der Bindungswirkung des Steuerbescheids als Grundlagenbescheid

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Wenngleich Steuerbescheid und Zinsbescheid gemäß § 233a AO zueinander im Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid stehen, wird die zweijährige Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist für Folgebescheide nach § 171 Abs. 10 Satz AO durch die an die Änderbarkeit der Steuerfestsetzung anknüpfende spezielle Hemmungsregelung in § 239 Abs. 1 Satz 3 AO verdrängt.
  2. Die spezielle Hemmungsregelung in § 239 Abs. 1 Satz 3 AO betrifft nicht nur den Umfang der Ablaufhemmung für die Zinsfestsetzung (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 14. Juli 2008 VIII B 176/07, BStBl II 2009, 117), sondern auch die Dauer der Hemmung.
 

Normenkette

AO §§ 47, 169 Abs. 1 S. 1, § 171 Abs. 10 S. 1, § 233a Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 239 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 1, S. 3

 

Streitjahr(e)

1995, 1996, 1997, 1998, 1999, 2000

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.01.2019; Aktenzeichen X R 30/17)

 

Tatbestand

Strittig ist, ob der Beklagte Zinsen zur Einkommensteuer nach § 233a der Abgabenordnung (AO) für die Jahre 1995 bis 2000 durch Bescheide vom 10. Februar 2012 zutreffend festgesetzt hat.

Der Beklagte setzte die Einkommensteuer für die Streitjahre (1995 bis 2000) gegenüber dem Kläger zu 1. und seiner am 24. Februar 2013 verstorbenen Ehefrau A, deren Erben die Kläger zu 1. und 2. sind, zuletzt durch Bescheide vom 19. Juli 2010 neu fest. Der Kläger zu 1. und A legten dagegen Einspruch ein, den der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 6. Juni 2011 hinsichtlich der Jahre 1995 bis 1999 als unbegründet zurückwies. Den Einspruch gegen den Änderungsbescheid für das Jahr 2000 nahmen die Kläger durch Schreiben vom 5. November 2013 zurück.

Der Beklagte setzte aufgrund der Steuerfestsetzungen für die Streitjahre die Zinsen zur Einkommensteuer für diese Jahre durch Bescheide vom 10. Februar 2012 unter Hinweis auf eine während einer Besprechung mit der steuerlichen Vertreterin des Klägers zu 1. und seiner Ehefrau am 5. November 2010 ausgehändigte Berechnung und eine den Bescheiden beigefügte Anlage, auf die jeweils verwiesen wird, wie folgt fest:

1995:

16.428,00 Euro

1996:

200.920,00 Euro

1997:

3.500,25 Euro

1998:

./. 0,25 Euro

1999:

7.835,25 Euro

2000:

2.254,75 Euro

Wegen der Einzelheiten der Zinsberechnungen wird auf den Inhalt der als „Band 1 - Einsprüche Zinsen § 233a AO '95-'00 zur ESt” übersandten Akte Bezug genommen.

Der Kläger zu 1. und A legten gegen die Zinsbescheide am 28. Februar 2012 Einspruch ein, mit dem sie darauf hinwiesen, dass derzeit noch nicht abschließend geklärt sei, in welcher Höhe sie für die Streitjahre Einkommensteuerzahlungen geleistet hätten und ob diese zutreffend verbucht worden seien. Solange dies nicht geklärt sei, sei eine Aussage zur Höhe der Zinsen nicht möglich.

Der Beklagte nahm dazu mit Schreiben vom 28. Juni 2013 wie folgt Stellung: Für die Zinsberechnung nach § 233a AO gelte der Grundsatz der sog. Sollverzinsung. Berechnungsgrundlage sei der Unterschied zwischen dem festgesetzten Soll und dem vorher festgesetzten Soll (Vorsoll). Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen sei nach § 233a Abs. 3 Satz 3 AO allerdings nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen, wobei die Verzinsung frühestens mit dem Tag der Zahlung beginne. Es sei grundsätzlich unerheblich, ob das Vorsoll bei Fälligkeit getilgt worden sei. Nachzahlungszinsen nach § 233a AO seien dagegen auch dann festzusetzen, wenn die Finanzbehörde vor Festsetzung der Steuer freiwillige Leistungen auf die Steuerschuld angenommen habe und hierdurch die festgesetzte Steuerschuld insgesamt erfüllt worden sei. Diese Grundsätze seien bei der Berechnung der Zinsen im Streitfall beachtet worden.

Der Beklagte wies den Einspruch nach einer Erörterung mit Vertretern der Prozessbevollmächtigten der Kläger an Amtsstelle am 20. März 2014, bei der er an seiner Rechtsauffassung festhielt und lediglich die Möglichkeit einer Billigkeitsmaßnahme für den Fall eines bezifferten Antrags in Aussicht stellte, durch Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 2014 als unbegründet zurück.

Mit der daraufhin erhobenen Klage begehren die Kläger die ersatzlose Aufhebung der Zinsbescheide vom 10. Februar 2012. Sie machen geltend, dass auch der Ausgang des die Zinsfestsetzungen betreffenden Verfahrens von der Wirksamkeit der Umbuchungen von Leistungen auf die Steuerschulden abhänge. Insoweit ergäben sich mehr als nur erhebliche Zweifel daran, ob die vom Beklagten vorgenommenen Umbuchungen, speziell aus dem Zeitraum von April bis Mai 2000, zu Recht erfolgt seien. Die Steuerforderungen, auf die die Zinsen erhoben würden, seien nur dadurch entstanden, dass der Beklagte entgegen der eindeutigen Tilgungsbestimmung des Klägers zu 1. Guthaben umgebucht habe und diese Beträge bei später geänderten Festsetzungen gefehlt hätten. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Klageverfahren wird auf die ...

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