vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung für Steuerabzugsbeträge nach § 50a EStG 2002

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Steuerabzug nach § 50a EStG a.F. und die daran anknüpfende Haftung des Vergütungsschuldners verstoßen auch in den Jahren 2004 bis 2006 trotz des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der geänderten EG-Beitreibungsrichtlinie 2001/44/EG i.V.m. dem EG-Beitreibungsgesetz zum 1. Juli 2002 nicht gegen die gemeinschaftsrechtliche Dienstleistungsfreiheit.
  2. Vom Vergütungsschuldner übernommenen Reisekosten, die im weitesten Sinne Gegenleistungen für die künstlerischen Leistungen und damit Einnahmen der Vergütungsempfänger darstellen, sind als unmittelbar im Zusammenhang mit den Einnahmen stehende Betriebsausgaben aus europarechtlichen Gründen (EuGH-Urteil vom 3. Oktober 2006 Rs. C-290/04 –Scorpio, Slg. 2006 I-09461) von der Brutto-Bemessungsgrundlage abzuziehen.
  3. Einer ausdrücklichen Mitteilung dieser Betriebsausgaben seitens der Vergütungsempfänger bedarf es im Hinblick auf die Kostentragung durch den Vergütungsschuldner nicht (vgl. BFH-Urteile vom 5. Mai 2010 I R 104/08 und I R 105/08, BFH/NV 2010, 1848 und 2043).
 

Normenkette

EStG 2002 § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. d, § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 1, S. 3, Abs. 5 S. 5; EG Art. 49; AEUV Art. 56

 

Streitjahr(e)

2004, 2005, 2006

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 25.03.2013; Aktenzeichen I R 60/11)

 

Tatbestand

Streitig ist die Haftungsinanspruchnahme nach § 50a Abs. 5 Satz 5 des

Einkommensteuergesetzes – EStG – in der in den Streitjahren 2004 bis 2006 gültigen Fassung – a.F. – für rückständige Steuerabzugsbeträge nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F.

Der Kläger betreibt die Diskothek „D” in A-Stadt, in der verschiedene – auch ausländische – Künstler auftreten. In den Streitjahren zahlte der Kläger Vergütungen i. H. v. 51.552,51 EUR (2004), 46.533,66 EUR (2005) bzw. 25.154,77 EUR (2006) an überwiegend im EU- bzw. EWR-Ausland ansässige Künstler, wobei die Vergütungsempfänger keine Freistellungsbescheinigung im Sinne des § 50d Abs. 2 EStG a.F. vorlegten. Für die im ersten bis vierten Quartal 2005 gezahlten Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige meldete der Kläger Einkommensteuer i. H. v. insgesamt 8.458,96 EUR und Solidaritätszuschlag i. H. v. insgesamt 465,22 EUR nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F. beim Finanzamt an. Dabei berücksichtigte er einen Steuersatz von 20 % zuzüglich 5,5 % Solidaritätszuschlag.

Im Jahr 2007 führte der Beklagte eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2006 bei dem Kläger durch. Dabei wurde festgestellt, dass der Kläger für die Jahre 2004 und 2006 keine Abzugssteuer angemeldet hatte. Zudem war der Kläger bei der Anmeldung für das Jahr 2005 von dem für die vereinbarten Netto-Vergütungen (Übernahme des Steuerabzugs durch den Vergütungsschuldner) geltenden Steuersatz i. H. v. 26,74 % (25,35 % zuzüglich 1,39 % Solidaritätszuschlag) abgewichen. Auf den Bericht vom 5. April 2007 wird Bezug genommen.

Daraufhin hat der Beklagte den Kläger mit Haftungsbescheiden vom 3. Mai 2007 auf der Grundlage von § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG a.F. in Verbindung mit § 73g der Einkommensteuer-DurchführungsverordnungEStDV – für folgende Steuerabzugsbeträge nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F. in Anspruch genommen:

2004

2005

2006

ESt

13.068,56 EUR

11.796,27 EUR

6.376,73 EUR

SolZ

716,58 EUR

646,81 EUR

349,65 EUR

Festsetzung

13.785,14 EUR

12.443,08 EUR

6.726,39 EUR

Abzgl. Anmeldung

0 EUR

8.924,18 EUR

0 EUR

Zahlungsaufforderung

13.785,14 EUR

3.518,90 EUR

6.726,39 EUR

Die rechtzeitig unter Hinweis auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs – EuGH – vom 3. Oktober 2006 (Rs. C-290/04 –Scorpio, Slg. 2006 I-09461) und des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 28. Januar 2004 (I R 73/02, BFHE 205, 174, BStBl II 2005, 550) sowie die Stellungnahme der Europäischen Kommission nach Art. 226 des EG-Vertrags – EG – vom 26. März 2007 (Kommission 1999/4852) eingelegten Einsprüche des Klägers blieben ohne Erfolg. Auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 25. Februar 2009 wird Bezug genommen.

Der Kläger hat am 25. März 2009 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, das Steuerabzugsverfahren und die Haftung verstießen gegen das Gemeinschaftsrecht. Nach der Richtlinie 76/308/EWG über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sind, sowie von Abschöpfungen und Zöllen und bezüglich der Mehrwertsteuer und bestimmter Verbrauchsteuern – EG-Beitreibungsrichtlinie – in Verbindung mit der Änderungsrichtlinie 2001/44/EG müssten sich die EG-Länder bei der Beitreibung von Abgaben eines ausländischen Unternehmers unterstützen. Dies gelte auch für Steuern vom Einkommen. Der Staat, der eine Steuerforderung gegen einen Ausländer habe, müsse diese unter Zuhilfenahme des Ansässigkeitsstaats des Ausländers geltend machen. Die nötigen Informationen über die ...

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