vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer als Nachlassverbindlichkeit – Rechtliche Entstehung bis zum Todestag

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die auf den Erben übergegangenen, vom Erblasser herrührenden persönlichen Einkommensteuerschulden, die aufgrund der Verwirklichung des Steuertatbestands durch den Erblasser selbst an seinem Todestag rechtlich bestehen, sind als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen.
  2. Dass nach § 36 Abs. 1 EStG die Einkommensteuer erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht, ist in erbschaftsteuerrechtlicher Hinsicht ohne Bedeutung.
  3. Dagegen kann die auf den Abfindungsanspruch, der dem Erben aufgrund des todesfallbedingten Ausscheidens des Erblassers aus einer KG zusteht, entfallende Ertragsteuer nicht bereicherungsmindernd berücksichtigt werden, da sie nach § 24 Nr. 2 EStG in der Person des Rechtsnachfolgers entsteht.
 

Normenkette

ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 5 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 11; AO §§ 38, 45 Abs. 1 S. 1; EStG § 24 Nr. 2, § 36 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2008

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 04.07.2012; Aktenzeichen II R 56/11)

BFH (Urteil vom 04.07.2012; Aktenzeichen II R 56/11)

 

Tatbestand

Der Kläger ist der Sohn des Erblassers A. Der Erblasser war u.a. Kommanditist der H & A GmbH & Co. KG (H KG).

Der Erblasser verstarb am .... April 2008. Er wurde ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts X vom .... Mai 2008 vom Kläger allein beerbt.

Am .... Dezember 2008 trafen die Gesellschafter der H KG mit dem Kläger eine Vereinbarung über den ihm zustehenden Abfindungsanspruch auf Grund des Ausscheidens des Erblassers aus der Gesellschaft. Danach sollte dem Kläger ein Abfindungsguthaben von 817.000 EUR zustehen, das in Teilbeträgen von jeweils 408.500 EUR bis spätestens zum 31. Dezember 2008 und zum 31. Dezember 2009 zu zahlen war.

Das beklagte Finanzamt setzte gegen den Kläger erstmals mit Bescheid vom 16. Juni 2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Erbschaftsteuer fest.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein.

Das beklagte Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer gegen den Kläger mit Bescheid vom 7. September 2009 auf 173.850 EUR neu fest. Dabei ging es von einem Wert seines Erwerbs von Todes wegen von insgesamt 1.172.010 EUR aus. Den dem Kläger zustehenden Abfindungsanspruch erfasste es mit 817.000 EUR als Erwerb von Todes wegen.

Der Kläger gab am 14. September 2009 eine Erbschaftsteuererklärung ab, mit der er u.a. Einkommensteuerschulden für die Veranlagungszeiträume 2006 bis 2008 in Höhe von insgesamt 688.754 EUR erwerbsmindernd geltend machte.

Das Finanzamt X setzte gegen den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers mit Bescheid vom 28. April 2011 für den Veranlagungszeitraum 2008 501.571 EUR Einkommensteuer, 50.959,71 EUR Kirchensteuer und 27.456,54 EUR Solidaritätszuschlag fest. Dabei berücksichtigte es Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit insgesamt 1.312.703 EUR. Hierin sind 504.472 EUR Einkünfte aus Beteiligungen und 808.231 EUR Einkünfte aus Veräußerungsgewinnen enthalten.

Das beklagte Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer gegen den Kläger mit Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2011 auf 179.550 EUR neu fest. Dabei ging es von einem Wert seines Erwerbs von Todes wegen von insgesamt 1.189.739 EUR aus. Steuerschulden des Erblassers berücksichtigte es nur bis zum Veranlagungszeitraum 2007. Die Steuerschulden aus dem Veranlagungszeitraum, in dem der Erblasser verstorben sei, seien nicht abzugsfähig, weil sie erst nach dessen Todestag entstanden seien.

Der Kläger trägt mit seiner Klage vor: Die im Jahr 2008 entstandenen Steuerschulden des Erblassers seien als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Andernfalls werde bei vor dem Todestag geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verletzt. Die Einkommensteuerschuld des Erblassers sei im Zeitpunkt seines Todes entstanden, weil damit seine persönliche Steuerpflicht ende. Wenn der Abfindungsanspruch des Klägers als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterliege, müsse auch die darauf entfallende Einkommensteuer bereicherungsmindernd berücksichtigt werden.

Der Kläger beantragt,

den Erbschaftsteuerbescheid vom 7. September 2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2011 dergestalt zu ändern, dass für den Veranlagungszeitraum 2008 entstandene Einkommensteuer von 501.571 EUR, Kirchensteuer von 50.959,71 EUR und Solidaritätszuschlag von 27.456,54 EUR erwerbsmindernd berücksichtigt werden.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf seine Einspruchsentscheidung.

Der Senat hat neben der Erbschaftsteuerakte des beklagten Finanzamts die Einkommensteuerakte des Finanzamts X für den Erblasser beigezogen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zu einem Teil begründet. Der Erbschaftsteuerbescheid vom 7. September 2009, der gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden ist, in der Gestalt der...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge