Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuerbefreiung bei freigebiger Zuwendung auf abgekürztem Weg, Interpolierende Betrachtungsweise der §§ 3 Nr. 2 und 3 Nr. 6 GrEStG, Steuerbefreite Übernahme eines Nießbrauchsvorbehalts

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Auf der Grundlage einer interpolierenden Betrachtungsweise der Befreiungsvorschriften des § 3 Nr. 2 i.V.m. § 3 Nr. 6 GrEStG ist die Übertragung eines hälftigen Grundstücksanteils zwischen Geschwistern von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn sich der Grundstückserwerb als abgekürzter Weg einer freigebigen Zuwendung der Mutter an den erwerbenden Sohn darstellt, und die unterbliebenen Zwischenerwerbe von der Schwester an die Mutter sowie von dieser an den Sohn, wären sie durchgeführt worden, nach § 3 Nr. 6 GrEStG steuerfrei wären (Anschluss an BFH-Urteil vom 11. 8. 2014 II B 131/13 BFH/NV 2015, 5).
  2. Auch bezüglich der Übernahme des Nießbrauchsvorbehalts ist der tatsächlich verwirklichte Erwerb als abgekürzter Weg anzusehen, dessen nicht verwirklichte Zwischenerwerbe steuerfrei wären.
 

Normenkette

GrEStG § 3 Nr. 2 Sätze 1-2, Nr. 6; ErbStG § 7; AO § 42

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.11.2018; Aktenzeichen II R 38/15)

 

Tatbestand

Mit notarieller Urkunde vom 12. 8. 2010 (UR-Nr. …/2010) des Notars A in B zwischen Frau C als Veräußerer, Frau D als Erwerber und dem Kläger als Auflagenbegünstigtem/weiterem Erwerber wurde Folgendes vereinbart:

C war Eigentümerin des Grundstücks E in B. D und der Kläger waren zu je ½ Eigentümer des Grundstücks F in B, das sie am 20. 12. 2002 von C erworben hatten. Zu Gunsten der Veräußerin C war ein Nießbrauchsrecht eingetragen.

Durch den Vertrag vom 12. 8. 2010 übertrug C den Grundbesitz E auf D unter Vorbehalt des lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauchs. In § 4 des Vertrages ordnete die Veräußerin als Auflage für D an, dass diese verpflichtet sein sollte, ihren hälftigen Anteil an dem Grundbesitz F auf den Kläger unentgeltlich unter Übernahme der eingetragenen Belastungen zu übertragen.

Zur Erfüllung der Auflage übertrug D unter III. des Vertrages vom 12. 8. 2010 dem Kläger ihren hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundbesitz F; die eingetragenen Belastungen (Nießbrauch, Rückauflassungsvormerkung) wurden vom Kläger übernommen. Der Jahreswert des Nießbrauchs wurde im Vertrag mit 15.000 € beziffert, der Verkehrswert des hälftigen Grundbesitzes F mit 144.000 €.

Mit Bescheid vom 24. 8. 2010 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger Grunderwerbsteuer iHv 5.040 € nach einer Bemessungsgrundlage von 144.000 € fest. Gegen den Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Er habe den hälftigen Anteil unentgeltlich erworben. Es liege eine Schenkung der Mutter C an die Tochter D vor mit der Auflage an die Tochter, den Grundbesitz F unentgeltlich auf den Kläger zu übertragen. Damit handle es sich um einen Vorgang nach § 7 Abs. 1 Nr. 2  ErbStG und nicht nach dem GrEStG. Auflagenbelastet sei die Schwester, begünstigt der Kläger. Bei dem Zweiterwerb durch den Kläger handle es sich um eine freigebige Zuwendung des ursprünglichen Schenkers an den Auflagenbegünstigten.

Am 17. 3. 2014 wies der Beklagte den Einspruch als teilweise unbegründet zurück und setzte die Grunderwerbsteuer auf 2.665 € herab. Er führte aus, es handle sich um eine Schenkung unter Auflage. Eine Nutzungs – oder Duldungsauflage mindere bei der Schenkungsteuer die Bereicherung iSv § 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG. Dies habe gem. § 3 Nr. 2 S. 2 GrEStG zur Folge, dass der Grundstückserwerb mit dem Wert der Auflage der Grunderwerbsteuer unterliege. Der Wert der Auflage entspreche dem des Nießbrauchsrechts. Von dessen Jahreswert von 15.000 € entfalle die Hälfte auf den Kläger, so dass die Bemessungsgrundlage 76.162 € betrage (7.500 € x 10,155).

Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger trägt vor:

Bei dem Erwerb des Klägers handle es sich um eine Schenkung der Mutter an den Kläger. Da eine Verwandtschaft in gerader Linie vorliege, entfalle schon deshalb die Grunderwerbsteuerpflicht. Das Verhältnis zum Auflageverpflichteten sei nicht maßgebend. Inhalt der Belastung sei nicht eine neue Auflage der Schwester an den Kläger, sondern die Übernahme der vorhandenen Belastungen durch den Kläger, welche von der Mutter angeordnet sei.

Der Kläger beantragt,

den Grunderwerbsteuerbescheid vom 24. 8. 2010 und die

Einspruchsentscheidung vom 16. 4. 2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

Er bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger  in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 FGO.

Der Erwerb des hälftigen Anteils an dem Objekt F von der Schwester des Klägers ist von der Grunderwerbsteuer befreit. Dies ergibt sich aus einer interpolierenden Betrachtungsweise der Befreiungsvorschriften des § 3 Nr. 2 i.V.m. § 3 Nr. 6 GrEStG.

Zwar greift die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG nicht ein. Denn der  Erwerb durch den Kläger beruht nicht auf einer freigebigen Zuwendung i.S. von § 7 ErbStG. Die Schwester d...

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