rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Reverse-Charge-Verfahren bei Bauleistungen: Erstattung der vom Leistungsempfänger abgeführten Umsatzsteuer Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber dem leistenden Unternehmer nach § 27 Abs. 19 UStG

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Wird die nach § 13b UStG abgeführte Umsatzsteuer erstattet, weil der Leistungsempfänger (Bauträger) die Bauleistungen nicht unmittelbar für eigene Werklieferungen verwandt hat (vgl. BFH-Urteil vom 22.08.2013 V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128), steht der entsprechenden Änderung der gegenüber dem leistenden Unternehmer ergangenen bestandskräftigen Umsatzsteuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 UStG weder die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO noch das verfassungsrechtliche Rückwirkungverbot entgegen (a.A. Beschluss des FG Berlin-Brandenburg vom 05.06.2015 5 V 5026/15, DStR 2015, 1538).
  2. In der Möglichkeit der Rechnungsberichtigung und der Abtretung der Forderung auf zusätzliche Zahlung der Umsatzsteuer an Zahlungs statt liegt ein hinreichender Interessenausgleich des bei Berufung auf die unrichtige Anwendung des § 13b UStG zwischen den Steuerfestsetzungen für den leistenden Unternehmer und den Leistungsempfänger entstehenden Widerstreits.
 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 9a, §§ 13b, 27 Abs. 19; AO § 171 Abs. 4, § 172 Abs. 1 S. 1 Buchst. d, § 173 Abs. 2, § 176 Abs. 2; GG Art. 20 Abs. 3; FGO § 69

 

Streitjahr(e)

2009, 2010

 

Tatbestand

Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung von gemäß § 27 Abs. 19 UStG geänderten Umsatzsteuerbescheiden der Jahre 2009 und 2010.

Die Antragstellerin ist in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG als Bauunternehmen unternehmerisch tätig. Sie erbrachte in den Streitjahren 2009 und 2010 Bauleistungen an die als Bauträger tätige T GmbH -T-. Die Antragstellerin unterwarf diese Leistungen nicht der Umsatzsteuer. Die von der Antragstellerin ausgestellten Rechnungen enthalten den Hinweis an den Leistungsempfänger auf dessen Steuerschuldnerschaft gemäß § 13b UStG. Entsprechend trug der Bauträger T die Steuerschuld (sog. Reverse-Charge-Verfahren).

Die Antragstellerin reichte ihre Umsatzsteuererklärungen für das Jahr 2009 am 10.06.2010 und für das Jahr 2010 am 13.05.2011 beim Antragsgegner, dem Finanzamt () -FA-, ein. Die Bauleistungen der Antragstellerin an T wurden erklärungsgemäß in den gemäß § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheiden nicht der Besteuerung unterworfen. Mit Bescheid vom 02.03.2011 hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung für die Umsatzsteuerfestsetzung des Jahres 2009 auf. Am 09.10.2012 erließ das FA nach Durchführung einer Lohnsteuer-Außenprüfung einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2010, am 02.09.2014 hob das FA nach der Durchführung einer Betriebsprüfung für die Jahre 2010 bis 2012 den Vorbehalt der Nachprüfung auch für die Umsatzsteuerfestsetzung des Jahres 2010 auf.

Mit Schreiben vom 01.08.2014 beantragte T unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 22.08.2013 (V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128) die Erstattung der nach § 13b UStG für Bauleistungen (auch) der Antragstellerin abgeführten Umsatzsteuer in den Jahren 2009 und 2010, weil sie diese nicht unmittelbar für eigene Werklieferungen verwandt habe, auch wenn der Anteil der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze 10 % überstiegen habe.

Das FA ordnete daraufhin am 04.11.2014 die Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Antragstellerin an. Das FA ist der Auffassung, dass aufgrund des Erstattungsantrages des Bauträgers die Umsatzsteuer für die gegenüber T erbrachten Bauleistungen nunmehr von der Antragstellerin zu entrichten sei. Der Prüfer wies die Antragstellerin zudem auf die Möglichkeit der Forderungsabtretung bei Erstellung geänderter Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis hin und fügte dem Bericht einen Vordruck für Forderungsabtretung bei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht über die bei der Antragstellerin durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 01.12.2014 Bezug genommen.

Die Antragstellerin erteilte T keine korrigierten Rechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis über die erbrachten Bauleistungen in den Jahren 2009 und 2010, so dass eine Abtretung der hieraus resultierenden Erhöhung der Werklohnforderung der Antragstellerin gegen T an das FA ausschied.

Das FA erließ am 08.04.2015 gemäß § 27 Abs. 19 UStG geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2009 und 2010, und forderte die Antragstellerin zur Zahlung von Umsatzsteuern iHv 4.191,40 € (2009) und 45.447,05 € (2010), insgesamt iHv 49.638,45 € auf. Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 21.04.2015 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass aus Vertrauensschutzgründen die Umsatzsteuer für die an T in den Jahren 2009 und 2010 erbrachten Bauleistungen nicht im Jahr 2015 festgesetzt werden könne. Sie wäre dann mit einer Anwendung des § 27 Abs. 19 UStG einverstanden, wenn seitens der Finanzverwaltung garantiert werde, dass für den Fall, dass die ...

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