rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld. Erfüllungswirkung bei Zahlung an den Abzweigungsempfänger. keine Abzweigung von Kindergeld für ein behindertes Kind an den Sozialleistungsträger bei Haushaltsaufnahme des Kindes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Anspruch auf Kindergeld erlischt auch bei Zahlung an einen Abzweigungsberechtigten.

2. Eine Abzweigung von Kindergeld für ein behindertes Kind an den Sozialleistungsträger gem. § 74 Abs. 1 S. 4 EStG scheidet aus, wenn die Unterhaltsleistungen des kindergeldberechtigten Elternteils den Betrag des Kindergeldes übersteigen. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn die selbst keine Grundsicherungsleistungen beziehende, Aufwendungen für den schwerbehinderten Sohn aus ihrer Hinterbliebenenrente bestreitende Kindergeldberechtigte mit ihrem Sohn in ihrem Haushalt lebt.

 

Normenkette

EStG § 74 Abs. 1 Sätze 4, 3, §§ 31, 76; AO §§ 47, 5; FGO § 100 Abs. 1 S. 4, § 102

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.12.2015; Aktenzeichen V R 18/15)

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 05. Juli 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2013 rechtswidrig ist, soweit er einen Teilbetrag aus dem monatlichen Kindergeldanspruch der Klägerin zu 1) an die Klägerin zu 2) abzweigt.

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte ist befugt, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin ihrerseits zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Abzweigung für bereits an den Abzweigungsempfänger ausgezahltes Kindergeld zurückgenommen werden kann.

Gegenüber der Klägerin zu 1) war Kindergeld für ihren Sohn Martin, geb. 1984, festgesetzt worden. Dieser ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100, des Weiteren sind die Merkzeichen B, H, RF und G anerkannt worden. Er lebt im Haushalt der Klägerin.

Im April 2011 stellte die Klägerin zu 2) bei der Beklagten einen Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes nach § 74 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG)/§ 104 Sozialgesetzbuch (SGB) X, weil sie dem Sohn der Klägerin ab 01. März 2011 Sozialhilfeleistungen im Rahmen der Hilfe zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach Kapitel 4 SGB XII gewährte. Daraufhin stoppte die Beklagte die Auszahlung des Kindergeldes an die Klägerin zu 1) ab Mai 2011 und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit an die Klägerin zu 1) gerichtetem Bescheid vom 05. Juli 2011 zweigte die Beklagte ab Mai 2011 monatlich einen Betrag von 92 EUR gemäß § 74 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. 76 EStG an die Klägerin zu 2) ab. Zur Begründung führte sie aus, dass sich unter Berücksichtigung der eingereichten Unterlagen ein monatlicher Mehrbedarf von 50 EUR ergebe, so dass nach pflichtgemäßem Ermessen die Hälfte des Kindergeldes abzuzweigen sei. Entsprechend zahlte die Beklagte das Kindergeld ab Mai 2011 je zur Hälfte an die Klägerin zu 1) und die Klägerin zu 2) aus.

Ein gleichlautender Bescheid erging an die Klägerin zu 2).

Die Klägerin zu 1) wandte sich mit einem Einspruch gegen die Abzweigung und trug vor, ihr seien für ihr Kind monatlich Aufwendungen mindestens in Höhe des Kindergeldes entstanden.

Die Beklagte zog die Klägerin zu 2) zu dem Einspruchsverfahren hinzu und stellte die Zahlung des Kindergeldes ab November 2011 bis zur Klärung des Einspruchsverfahrens ein.

Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2013 half die Beklagte dem Einspruch der Klägerin zu 1) derart ab, dass für den Zeitraum Mai 2011 bis Juli 2012 der Abzweigungsbetrag auf monatlich 78 EUR reduziert wurde und ab August 2012 die Abzweigung gänzlich aufgehoben wurde. Im Übrigen wies sie den Einspruch zurück. Eine Änderung der ausgezahlten Kindergeldbeträge nahm die Beklagte jedoch nicht vor.

Sowohl die Klägerin zu 1) (Az.: 4 K 180/13) als auch die Klägerin zu 2) (Az.: 4 K 198/13) haben dagegen Klage erhoben, so dass das Gericht mit Beschluss vom 03. Juli 2013 beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen 4 K 180/13 verbunden hat.

Im Klageverfahren hat die Beklagte der Klage der Klägerin zu 1) derart abgeholfen, dass ab November 2011 keine Abzweigung mehr erfolgt. Daraufhin haben alle Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Zeit ab einschließlich November 2011 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Ferner haben die Klägerin zu 2) und die Beklagte den Rechtsstreit hinsichtlich des Klagebegehrens der Klägerin zu 2) übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin zu 1) vor, dass die vorgenommene Abzweigung ermessenswidrig sei, weil sie aus ihrer Hinterbliebenenrente Aufwendungen für ihren Sohn getragen habe, die den monatlichen Kindergeldbetrag überstiegen hätten.

Die Klägerin zu 1) beantragt,

festzustellen, dass der Bescheid vom 05. Juli 2011 in Ge...

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