Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit des Auskunftsersuchens eines Konkurrenten hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Verhältnisse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. § 2 Abs. 3 UStG als drittschützende Norm. Nachprüfung der Ermessensausübung des FA bei der Ablehnung eines Realakts. Auskunft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Konkurrentenklage des eine identische Leistung am Markt anbietenden Mitbewerbers einer Körperschaft des öffentlichen Rechts wegen der einen konkreten Wettbewerbsnachteil auslösenden Umsatzsteuerfreiheit der aus diesen Leistungen resultierenden Umsätze der Körperschaft ist zulässig, da § 2 Abs. 3 UStG eine drittschützende Norm ist.

2. Bestehen eines Auskunftsanspruchs im Vorfeld eines Konkurrentenverfahrens: Das FA kann dem Auskunftsersuchen des Konkurrenten einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Verhältnisse der Körperschaft entsprechen, wenn die Offenbarung der Verhältnisse nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO 1977 der beabsichtigten Einlegung eines statthaften Konkurrenteneinspruchs bzw. ggf. einer Konkurrentenklage dient

3. Die Vorschrift des § 102 FGO gilt auch für die Ablehnung eines im Ermessen des FA stehenden Realakts, wie dem Auskunftsersuchen eines Dritten.

 

Normenkette

UStG 1993 § 2 Abs. 3; AO 1977 § 30 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, § 89 S. 2, §§ 5, 347, 350; FGO §§ 102, 65 Abs. 1, § 40 Abs. 1-2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.10.2006; Aktenzeichen VII R 24/03)

 

Tenor

Der Ablehnungsbescheid vom 25. Juni 1998 und der Einspruchsbescheid vom 23. Juli 1999 werden aufgehoben. Der Beklagte hat unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über das Auskunftsbegehren des Klägers zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte zu 70 v. H., der Kläger zu 30 v.H.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger als Konkurrent eines Steuerpflichtigen Anspruch auf Auskunft über dessen Umsatzbesteuerung hat.

Der Kläger ist ein eingetragener und als gemeinnützig anerkannter Verein, der in Einäscherungen durchführt. Die Stadt … betreibt ebenfalls ein Krematorium. Mit Schreiben vom 8. April 1998 beantragte der Kläger von dem Beklagten, der für die Besteuerung der Stadt … zuständig wäre, Auskunft darüber, wann der letzte Umsatzsteuerbescheid gegen die Stadt … unter welcher Steuernummer ergangen sei und ob dieser Bescheid gegenüber der Stadt bestandskräftig geworden sei. Der Beklagte lehnte die begehrte Auskunft mit Bescheid vom 25. Juni 1998 unter Hinweis auf das Steuergeheimnis (§ 30 der AbgabenordnungAO) ab. Auf den Ablehnungsbescheid wird Bezug genommen.

Den Einspruch des Klägers wies der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 23. Juli 1999, auf welchen ebenfalls Bezug genommen wird, als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit welcher geltend gemacht wird, die Ablehnung des Beklagten beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung des § 2 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Nach seiner Satzung sei es der Zweck des klagenden Vereins, Feuerbestattungen zu unterstützen und insbesondere Einäscherungen durchzuführen sowie die dafür erforderlichen Einrichtungen zu unterhalten. Der Kläger habe mit Investitionen in vielfacher Millionenhöhe neue Verbrennungsanlagen gebaut. Das moderne Einäscherungsverfahren habe zahlreiche Bestattungsunternehmer, die der Kläger im Einzelnen benennt, dazu veranlasst, aus dem Bereich nach zu kommen, um bei ihm die Einäscherungen in Auftrag zu geben. Dies betreffe Bestattungshäuser in … und … und …. Auf die Schriftsätze des Klägers vom 7. Dezember 1999 und 19. Mai 2000 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Die Bestattungsunternehmen seien aber zum Teil wieder nach … zurückgekehrt, weil das dortige städtische Krematorium die Einäscherungsgebühren des Klägers unterboten habe. Die Gebühr habe im Jahre 1997 in … 200 DM betragen, während der Kläger wegen seiner Umsatzsteuerpflicht 252,50 DM habe berechnen müssen. Müsste die Stadt … Umsatzsteuer zahlen, betrüge die Gebühr 232 DM. Der Preisunterschied wäre von den Bestattungsunternehmern hingenommen worden – so der Kläger –, weil dafür eine modernere Technik und ein besserer Service geboten worden seien. Jedoch habe die Stadt … infolge strengerer Umweltbestimmungen ihre Einäscherungsanlagen erneuern müssen. Diese seien inzwischen auch fertiggestellt, weshalb an sich die Gebühren wohl auch erhöht werden müssten. Dem Vernehmen nach wolle man aber auf jeden Fall – so sei von Seiten der Stadt … verlautbart worden – unter den Preisen des Klägers bleiben. Der Beklagte werde auch nicht bestreiten, dass die genannten Firmen wieder im Krematorium in … anlieferten. Das Verhalten der Kunden beweise, dass diese nicht mehr bereit s...

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