rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anderer Arbeitsplatz. außerhalb der Praxiszeiten genutztes häusliches Arbeitszimmer eines Selbstständigen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein anderer Arbeitsplatz i. S. d. Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Ausreichend wäre insoweit das Vorhandensein eines Schreibtisches mit Bürostuhl und PC sowie ggf. abschließbaren Aktenschränken.

2. Zwar indiziert bereits der Schreibtischarbeitsplatz eines Selbstständigen, dass ihm dieser Arbeitsplatz für alle Aufgabenbereiche seiner Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht. Dennoch kommt ein Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Betracht, wenn dem Selbständigen angesichts der Entfernung zwischen Praxis und Wohnung (im Streitfall 47 km; Fahrzeit ca. 45 Min.) nicht zugemutet werden kann, die Praxisräume außerhalb der Öffnungszeiten zur Erledigung von Büroarbeiten aufzusuchen, und die Praxisräume nach ihrer Einrichtung und den Umständen des Einzelfalls für die Erledigung von Büroarbeiten nur eingeschränkt geeignet sind.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b, Abs. 4, § 12 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.02.2017; Aktenzeichen III R 9/16)

 

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, in Abänderung zu den Bescheiden vom 03. Dezember 2014 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 18. März 2015 bei der Einkommensteuer 2010 Kosten in Höhe von 870,60 EUR, bei der Einkommensteuer 2011 Kosten in Höhe von 152,10 EUR und bei der Einkommensteuer 2012 Kosten in Höhe von 292,58 EUR für ein häusliches Arbeitszimmer steuermindernd zu berücksichtigen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten nach Betriebsprüfung um die Abziehbarkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer.

Der Kläger ist als Logopäde in angemieteten Räumen in S. und H. tätig. Im Rahmen der Gewinnermittlungen für die Einkommensteuererklärungen machte der Kläger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer 2010 in der Wohnung und ab 2011 im privat genutzten Einfamilienhaus geltend.

Die Betriebsprüferin vertrat die Ansicht, dass für Bürotätigkeiten ein anderer Arbeitsplatz als im häuslichen Arbeitszimmer zur Verfügung stehe und daher nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 Buchst. b Einkommensteuergesetz (EStG) die Kosten des Arbeitszimmers nicht als Betriebsausgabe anerkannt werden könnten. Sie erhöhte insoweit den Gewinn in 2010 um 870,60 EUR, in 2011 um 152,10 EUR und in 2012 um 292,58 EUR. Weitere Feststellungen sind unstreitig.

Gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide vom 3. Dezember 2014 richtete sich der Einspruch vom 5. Dezember 2014. Die Kläger führten aus, dass die Praxen nur über Behandlungsräume verfügen würden, die von Angestellten genutzt würden. Die Praxen seien alleine für die Behandlung von Patienten ausgestattet und nicht als Büro nutzbar. Der Kläger nehme hauptsächlich Außentermine im Krankenhaus oder direkt bei Patienten war. Daneben erstelle er die Personalplanung und -abrechnung, die AZH-Abrechnung (Abrechnungs- und IT-Dienstleistungszentrum für Heilberufe GmbH), lese die Patientendaten in eine Datenbank ein, verwalte das Geschäftskonto, erstelle Ausgangsrechnungen, Gutachten und Behandlungsberichte. Diese Tätigkeiten würden qualitativ seine Berufsausübung prägen und stellten den Mittelpunkt der Tätigkeit dar. Damit sei die Einrichtung eines typischen Arbeitszimmers unabdingbar.

Mit Einspruchsentscheidung vom 18. März 2015 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er vertrat die Ansicht, dass die für den Beruf des Logopäden wesentlichen und prägenden Tätigkeiten, Handlungen und Leistungen in den Praxisräumen bzw. bei Außenterminen im Krankenhaus oder im Rahmen der Patientenbesuche ausgeführt würden. Der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit und damit der Tätigkeitsmittelpunkt richte sich nach dem Schwerpunkt des konkret ausgeübten Berufes. Im Streitfall sei der Tätigkeitsmittelpunkt eines Logopäden damit nicht das häusliche Arbeitszimmer. Zudem habe sich die Prüferin im Rahmen der Besichtigung der Praxis davon überzeugen können, dass sich in der Praxis in einem großen Raum ein Schreibtisch mit PC, Drucker und diverse Schränke befunden hätten und dass bestimmte Prüfungsfragen unter Zuhilfenahme dort vorhandener Akten und technischer Ausstattungen hätten beantwortet werden können. Damit stehe dem Kläger ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Es sei dem Kläger auch zumutbar, dass er seine schriftlichen Arbeiten – gegebenenfalls außerhalb der Praxisöffnungszeiten – in dem entsprechenden Raum ausführe.

Hiergegen richtet sich die Klage vom 14. April 2015. Unstreitig liege ein ...

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