Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablaufhemmung. nach Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung geäußerte Bitte um Bearbeitung als Antrag im Sinne von § 171 Abs. 3 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung kann nicht als Antrag im Sinne des § 171 Abs. 3 AO gewertet werden.

2. In der nach der Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung geäußerten Bitte um Bearbeitung ist ein eigenständiger Antrag zu sehen, der gemäß § 171 Abs. 3 AO den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmt.

3. Selbst wenn die Bitte um Bearbeitung der Steuererklärung nicht als Antrag auf Steuerfestsetzung im Sinne von § 171 Abs. 3 AO einzuordnen sein sollte, ist diese jedenfalls als auf ein behördliches Tätigwerden gerichteter Antrag (Vornahme der Veranlagung zur Einkommensteuer) auszulegen. Wird in Bezug darauf vor Eintritt der Festsetzungsverjährung ein Untätigkeitseinspruch eingelegt, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist jedenfalls gemäß § 171 Abs. 3a AO gehemmt.

 

Normenkette

AO § 169 Abs. 1 S. 1, § 171 Abs. 3, 3a

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 22.06.2020 und 26.10.2020 über die Ablehnung der Einkommensteuerfestsetzung für 2005, 2009, 2010 und 2013 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 29.07.2021 (betreffend 2005, 2009 und 2010) und vom 05.08.2021 (betreffend 2013) verpflichtet, den Kläger zur Einkommensteuer 2005, 2009 und 2010 sowie die Kläger zusammen zur Einkommensteuer 2013 zu veranlagen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für die Jahre 2005, 2009, 2010 und 2013 (Streitjahre) Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

Die Kläger sind Eheleute (Tag der Eheschließung: … 2013) und begehren für das Jahr 2013 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt zu werden. Für die Jahre 2005, 2009 und 2010 begehrt der Kläger allein zur Einkommensteuer veranlagt zu werden. Dem Verfahren liegen im Wesentlichen folgende Sachverhalte zugrunde:

Kalenderjahr 2005:

Der Kläger bezog im Kalenderjahr 2005 Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Beteiligungseinkünfte) von zusammen … Euro, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, steuerfreien Arbeitslohn nach Doppelbesteuerungsabkommen (… Euro, § 32 b Abs. 1 Nr. 3 EStG) und Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Der Kläger hat seine Einkommensteuererklärung 2005 abgegeben am 17.04.2009.

Er hat mit Schreiben vom 26.06.2011, 31.03.2012 und 23.03.2013 an die vorliegende Steuererklärung für 2005 erinnert. In den Schreiben vom 22.11.2013, 31.03.2015, 31.03.2016, 29.07.2017, 20.01.2019 und 30.07.2019 erinnerte der Kläger erneut an die vorliegende Steuererklärung und bat um Festsetzung der Einkommensteuer so wie zuletzt für den entsprechenden Veranlagungszeitraum von ihm beantragt.

Kalenderjahr 2009:

Der Kläger bezog im Kalenderjahr 2009 Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Beteiligungseinkünfte) von zusammen … Euro, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, steuerfreien Arbeitslohn nach Doppelbesteuerungsabkommen (… Euro, § 32b Abs. 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz –EStG–), Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von … Euro (§ 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG) und Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Der Kläger hat seine Einkommensteuererklärung 2009 abgegeben am 07.07.2011.

Er hat mit Schreiben vom 31.03.2012 und 23.03.2013 an die vorliegende Steuererklärung für 2009 erinnert. In den Schreiben vom 22.11.2013, 31.03.2015, 31.03.2016, 29.07.2017, 20.01.2019 und 30.07.2019 erinnerte der Kläger erneut an die vorliegende Steuererklärung und bat um Festsetzung der Einkommensteuer so wie zuletzt für den entsprechenden Veranlagungszeitraum von ihm beantragt.

Kalenderjahr 2010:

Der Kläger bezog im Kalenderjahr 2010 Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Beteiligungseinkünfte) von zusammen … Euro, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von … Euro (§ 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG) und Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Der Kläger hat seine Einkommensteuererklärung 2010 abgegeben am 05.04.2012.

Er hat mit Schreiben vom 23.03.2013 an die vorliegende Steuererklärung für 2010 erinnert. In den Schreiben vom 22.11.2013, 31.03.2015, 31.03.2016, 29.07.2017, 20.01.2019 und 30.07.2019 erinnerte der Kläger erneut an die vorliegende Steuererklärung und bat um Festsetzung der Einkommensteuer so wie zuletzt für den entsprechenden Veranlagungszeitraum von ihm beantragt.

Kalenderjahr 2013:

Der Kläger bezog im Kalenderjahr 2013 Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Beteiligungseinkünfte) von zusammen … Euro, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (u.a. … Euro ermäßigt besteuerte Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes) und Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Klägerin hatte im Kalenderjahr 2013 k...

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