Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für ein in den USA studierendes Kind

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Kind, welches im Anschluss an seinen einjähriges Au-pair-Programm voraussichtlich weitere fünf Jahre wegen eines Studiums in den USA verbleibt, behält ausnahmsweise auch dann seinen inländischen Wohnsitz bei, so dass ein Anspruch auf Kindergeld besteht, wenn es nicht die gesamte ausbildungsfreie Zeit im Inland verbringt, weil dies die finanziellen Verhältnisse nicht erlauben (hier: wohnen des Kindes im ehemaligen Kinderzimmer des väterlichen Wohnhauses in dem noch wesentlich jüngere Geschwister leben).

2. Bei Studenten, die am Studienort ein Zimmer haben, wird der Wohnsitz bei den Eltern selbst bei mehrjähriger auswärtiger Unterbringung im Regelfall nicht aufgegeben, weil die Bindung an das Elternhaus fortbesteht und daher davon auszugehen ist, dass der Wohnsitz im ehemaligen Kinderzimmer beibehalten wird. Im Falle eines Auslandsstudiums gilt diese pauschale Annahme wegen der räumlichen Distanz und der damit verbundenen Lösung vom inländischen Wohnsitz nicht.

 

Normenkette

EStG § 63 Abs. 1 S. 3; AO § 8

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.09.2014; Aktenzeichen III R 10/14)

 

Tenor

Der Aufhebungsbescheid vom 12. Februar 2010 und die dazu erlassene Einspruchsentscheidung vom 12. August 2011 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kindergeld.

Der Kläger ist Vater seiner im Februar 1989 geborenen Tochter B.. Diese absolvierte nach ihrem im Sommer 2008 abgelegten Abitur ein einjähriges Aupair-Programm in den USA. Bestandteil des Programms war ausweislich einer Bescheinigung der den Aufenthalt betreuenden Organisation vom 04. September 2009 der Besuch einer Sprachschule im Umfang von ca. 10 Stunden pro Woche. Während des Auslandsaufenthalts entschloss sich die Tochter des Klägers zu einem Studium in New York. Seit dem 01. September 2009 studiert sie dort Marketing am D. College. Der Abschluss ist für das Jahr 2014 geplant.

Während des genannten Auslandsaufenthalts stand B. weiterhin ihr ehemaliges Kinderzimmer im väterlichen Wohnhaus (Adresse siehe Rubrum) zur Verfügung. In dem Haushalt wohnten auch ihre über zehn Jahre jüngeren Geschwister. Sie war im väterlichen Wohnhaus mit Wohnsitz gemeldet und hielt sich dort während der nachfolgend genannten Zeiträume im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich auf: 18. Dezember 2009 bis 04. Januar 2010; 17. Februar 2011 bis 01. April 2011; 01. August 2011 bis 04. September 2011; 20. Dezember 2011 bis 03. Januar 2012; 03. Februar 2012 bis 06. März 2012, 04. April 2012 bis 16. April 2012. Weitere Flüge waren ihr angesichts der damit verbundenen Kosten nicht möglich.

Die Beklagte hob die bis dahin laufende Kindergeldfestsetzung für B. mit Bescheid vom 12. Februar 2010 ab Januar 2009 auf und bestätigte diese Entscheidung auf den fristgemäß erhobenen Einspruch des Klägers hin mit Einspruchsentscheidung vom 12. August 2011. Sie begründete diese Entscheidung mit dem Argument, dass B. wegen ihres alleinigen Wohnsitzes in den USA seit 2009 kein beim Kindergeld berücksichtigungsfähiges Kind mehr sei. Insbesondere reichten bei längeren Auslandsaufenthalten kurzzeitige Besuche nicht aus, um den Inlandswohnsitz beizubehalten. Erforderlich sei vielmehr, dass die gesamte ausbildungsfreie Zeit im Inland verbracht würde.

Hiergegen wehrt sich der Kläger mit seiner fristgerecht erhobenen Klage.

Die gesamte ausbildungsfreie Zeit habe B. angesichts der mit den Flügen verbundenen hohen Kosten nicht im Inland verbringen können – auch wegen der ausbleibenden Zahlung des Kindergeldes.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. August 2011 aufzuheben und demKläger mit Wirkung ab Januar 2009 das beantragte Kindergeld für das am 20. Februar 1989 geborene Kind B. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer Einspruchsentscheidung fest.

Der Senat hat die Entscheidung des Rechtstreits mit Beschluss vom 09. August 2013 dem Einzelrichter übertragen. Diesem hat bei seiner Entscheidungsfindung die den Streitfall betreffende Kindergeldakte der Beklagten vorgelegen. Auf deren Inhalt wie auch auf die im Verfahren ausgetauschten Schriftsätze nimmt das Gericht wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens Bezug.

 

Entscheidungsgründe

1. Die zulässige Klage ist begründet, denn der angefochtene Aufhebungsbescheid vom 12. Februar 2010 und die dazu erlassene Einspruchsentscheidung vom 12. August 2011 sind rechtwidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

a) Der für diese Entscheidung gemäß § 6 FGO

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