Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheitsbewertung eines Gebäudes auf fremdem (gepachtetem) Grund und Boden. Abschlag wegen Abbruchverpflichtung. Absehbarkeit des Nichtabbruchs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ob bezogen auf den Feststellungszeitpunkt vorauszusehen ist, dass ein auf fremdem Grund und Boden errichtetes Gebäude trotz pachtvertraglich bestehender Abbruchverpflichtung nicht abgebrochen werden wird, ist eine Tatsachenfrage im Einzelfall und unterliegt daher der Beweiswürdigung des FG.

2. Eine längere tatsächliche Übung, Pachtverträge immer wieder zu verlängern, kann als Indiz ergeben, dass der Nichtabbruch konkret voraussehbar ist und daher bei der Einheitsbewertung ein Abschlag wegen Abbruchverpflichtung nicht zu berücksichtigen ist.

 

Normenkette

BewG § 94 Abs. 1, 3 S. 3, § 76

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 01.10.2020; Aktenzeichen II B 29/20)

BFH (Urteil vom 16.01.2019; Aktenzeichen II R 19/16)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Voraussehbarkeit einer Abrissverpflichtung eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden bei der Einheitsbewertung (§ 94 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 BewertungsgesetzBewG –) auf den Feststellungszeitpunkt 01.01.2007.

I.

Das Grundstück „B.” liegt in der sog. „Siedlung C.” in D., unweit der nördlichen Landesgrenze zu Brandenburg. Die Siedlung C. entstand Ende der 1920er Jahre als Kleingartenkolonie auf zuvor landwirtschaftlich genutzter Fläche. Bis 1945 wurden die Parzellen vorwiegend gärtnerisch genutzt. Ab 1945 wurden sog. „Behelfsheime” zugelassen. Die Wohnnutzung der Kolonie verfestigte sich nachfolgend immer weiter. Durch An- und Umbauten an ursprünglichen Lauben und Wochenendhäusern entstand im Laufe der Zeit eine Einfamilienhaussiedlung. Die Parzellen wurden vom Eigentümer, später seinen Erben, verpachtet. Die Lauben bzw. nachfolgend Häuser waren in diesen Pachtverträgen zugelassen; es handelt sich mithin um Gebäude auf fremdem Grund und Boden. Das Grundstück unterliegt nicht dem Kleingartenrecht. Die durch An- und Umbauten entstandenen Einfamilienhäuser wurden weitgehend ohne baurechtliche Genehmigung errichtet; es handelt sich dann um „Schwarzbauten” (im Einzelnen FG-A Bl. 154).

Nach langjähriger Duldung begann das Bezirksamt E. im Jahre 2007, rechtmäßige Zustände zu fordern. Die bisher im bauplanerischen Außenbereich befindliche Siedlung wurde durch Aufstellung eines Bebauungsplans legalisiert; zugleich wurde die bisherige ungeordnete Siedlungsstruktur durch planerische Vorgaben für die Zukunft geordnet. Die vorangegangene Änderung des Flächennutzungsplans für Berlin datiert vom 14.03.2006, der Entwurf des Bebauungsplans vom 29.05.2007 (FG-A Bl. 153), die Begründung zum Entwurf vom 12.09.2007 (FG-A Bl. 158). Der Aufstellungsbeschluss wurde vom Bezirksamt am 29.05.2007 gefasst und im Amtsblatt von Berlin vom 31.08.2007 veröffentlicht (FG-A Bl. 158), außerdem in der Wochenzeitung „…” vom 04.10.2007 (FG-A Bl. 159). Der Bebauungsplan wurde mit Rechtsverordnung vom 05.04.2011 festgesetzt (FG-A Bl. 160).

Die Bebauungsplanung wurde flankiert von Verhandlungen der Grundstückseigentümer, vertreten durch einen Rechtsanwalt, mit dem Siedlerverein, und mündete in einen dreiseitigen Vertrag zwischen den Eigentümern des Grundstücks (Verpächter), dem Siedlerverein und den Grundstückspächtern (Hausbesitzer) (FG-A Bl. 161). Der Rechtsanwalt der Eigentümer wurde am 12.09.2008 bevollmächtigt (FG-A Bl. 169), der Vertrag von den verschiedenen Parteien zwischen dem 30.05.2010 und dem 05.07.2010 unterzeichnet (FG-A Bl. 166, 168). Während der Verhandlungen hatte der Vertreter der Grundstückseigentümer, um aus Sicht der Eigentümer überzogene Forderungen des Siedlervereins zurückzuweisen und die Pächter zur Vertragsunterzeichnung zu bewegen, mit Schreiben an den Siedlerverein vom 26.03.2010 darauf hingewiesen, dass die Eigentümer sich ggf. auch allein mit dem Bezirksamt einigen könnten und dann die Pachtverträge auch nicht über den 31.03.2018 hinaus verlängern, sondern fristgemäß kündigen würden (FG-A Bl. 84).

II.1.a)

Der frühere Ehemann der Klägerin erwarb das „F. Haus”, Wohnfläche ca. 136 m² mit diversen Einbauten, Küche und teils Fußbodenheizung, Garage und Gerätehaus mit privatschriftlichem „Kaufvertrag” vom 01.07.2004, Übergabe 01.10.2004, von der Vorpächterin zum Preis von 70.000,– EUR (FG-A Bl. 170). Das Haus war von der Vorpächterin erbaut worden (FG-A Bl. 63).

b)

Mit Pachtvertrag vom 08.10.2004 (FG-A Bl. 71) pachteten die Klägerin und ihr damaliger Ehemann die Parzelle Nr. 34 (535,50 m²) von den Eigentümern für die Zeit vom 01.12.2004 bis 31.03.2018 mit einer Kündigungsfrist von 12 Monaten zu einem monatlichen Pachtzins von 115 EUR. Gemäß § 5 des Vertrages hat der Pächter die Parzelle bei Beendigung des Vertrages geräumt herauszugeben. Vom Pächter oder dessen Vorgänger errichtete Bauten sind auf Wunsch zu entfernen. Jeglicher Entschädigungsanspruch ist ausgeschlossen. Der Pächter ist berechtigt, vor Vertragsablauf den ...

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