Entscheidungsstichwort (Thema)

Bilanzierung von nur vom Emittenten kündigbaren Anleihen ohne feste Laufzeit „hybride Wertpapiere”) mit dem Kurswert als dem niedrigeren Teilwert

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Kursrückgang von Anleihen ohne feste Laufzeit, die nur vom Emittenten, nicht aber vom Anleger gekündigt werden können, führt regelmäßig zu einer dauerhaften Wertminderung der Anleihen, es sei denn, eine Kündigung durch den Emittenten ist absehbar. Diese Wertpapiere sind daher bei Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen mit dem Kurswert als dem niedrigeren Teilwert zu bewerten und zu bilanzieren (Abgrenzung zur BFH-Rechtsprechung, wonach für festverzinsliche Wertpapiere mit fester Laufzeit, die bei Laufzeitende zum Nominalbetrag rückzahlbar sind, regelmäßig allein wegen des gefallenen Kurses keine dauernde Wertminderung vorliegt, es sei denn, es besteht zusätzlich beim Emittenten ein Insolvenzrisiko; vgl BFH, Urteil v. 8.6.2011, I R 98/10 und BFH, Urteil v. 18.4.2018, I R 37/16).

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3, Nr. 2 S. 2; KStG § 8 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.08.2023; Aktenzeichen XI R 36/20)

 

Tenor

Die Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide 2011 und 2012 vom 05.05.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.12.2016 werden dahingehend geändert, dass bei der Ermittlung des Jahresüberschusses bzw. des Gewinns aus Gewerbebetrieb die Wertpapiere des Umlaufvermögens statt in beiden Jahren mit 1.000.000,00 EUR auf den 31.12.2011 nur mit 540.000,00 EUR und auf den 31.12.2012 nur mit 500.000,00 EUR angesetzt werden unter Beachtung der gegenläufigen Reduzierung der Rückstellungen für Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Bestimmung des Teilwerts sogenannter hybrider Wertpapiere, hier von Anleihen ohne feste Laufzeit, die nur vom Emittenten, nicht aber vom Anleger gekündigt werden können, in den Streitjahren 2011 und 2012 bei der Ermittlung des Bilanzgewinns für die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag.

I.

Die Klägerin ist eine GmbH und hielt in ihrem Umlaufvermögen zwei Anleihen der DZ Bank in einem Bankdepot bei der C… Bank eG mit einem Nominalwert von je 500.000 EUR, zusammen 1.000.000 EUR, nämlich ISIN DE000A0GLDZ3 und DE000A0GWWW7 (beides DZ BANK … [Jersey]-Anleihen). Die Zinszahlung erfolgt jeweils vierteljährlich, der Kupon ist variabel und vom Eurobor abhängig (3-Monats-Eurobor plus 0,8 % bzw. plus 1,1 %). Die Anleihen haben ein Volumen von 50 Mio. EUR bzw. 100 Mio. EUR, emittiert am 09.01.2006. bzw. am 04.09.2006.

Der Kursverlauf der erstgenannten Anleihe stellt sich wie folgt dar:

Zum 31.12.2011 betrugen die Kurse der beiden Anleihen 55,00 % bzw. 53.00 %, zum 31.12.2012 betrugen die Kurse identisch 50,00 %. Die Kurswerte betrugen mithin zum 31.12.2011 275.000 EUR + 265.000 EUR = 540.000 EUR und zum 31.12.2012 250.000 EUR + 250.000 EUR = 500.000 EUR.

Beide Anleihen sind bei Fälligkeit zu 100 % des Nennkapitals rückzahlbar, haben keine feste Laufzeit und können nur vom Emittenten zu bestimmten Zeitpunkten gekündigt werden, nicht aber vom Anleger. Die Kündigung war erstmals zum 09.01.2013 bzw. 04.09.2013 möglich und dann vierteljährlich zu den Zinszahlungsterminen.

Wegen der Einzelheiten der Anleihebedingungen wird auf die jeweiligen „Endgültigen Bedingungen”, die jeweiligen „Emissionsbedingungen” und den gemeinsamen „Basis-prospekt” Bezug genommen.

Es handelt sich um Tier-1-Anleihen (nachrangige Bankschuldverschreibungen), die verbreitet wie folgt charakterisiert werden:

„Tier 1-Anleihen sind ein bestimmter Typ nachrangiger Anleihen, die von Kreditinstituten begeben werden. Im Liquidationsfall sind sie nachrangig zu Senior-Anleihen (erstrangige Anleihen), nachrangigen Anleihen, Genussscheinen und stillen Beteiligungen. Ihre Ansprüche rangieren jedoch vor denen der Aktionäre. Tier 1-Anleihen werden in der Bilanz des Emittenten dem Kernkapital zugeordnet. Hierfür müssen noch folgende Ausstattungsmerkmale erfüllt werden:

  • Unendliche Laufzeit, jedoch Kündigungsrecht des Emittenten frühestens nach fünf Jahren, dann zu jedem Kupontermin
  • Kündigung kann nur erfolgen, wenn genügend Mittel für eine Rückzahlung vorhanden sind (aufsichtsrechtliche Zustimmung erforderlich)
  • Zinszahlung darf nur geleistet werden, wenn genug verteilbarer Gewinn vorhanden ist, ausgefallene Zinszahlungen dürfen nicht nachgezahlt werden
  • Zinszahlung kann fest oder variabel sein
  • Keine Besicherungen oder Garantien der Anleihe Vorteile:
  • Höhere Rendite als Senior-Anleihen
  • Kündigungsmodalitäten sind festgelegt Nachteile:
  • Kein Gläubigerschutz
  • Kein...

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