Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer. Anteilsbegriff bei grundbesitzenden Personen- bzw. Kapitalgesellschaften. mittelbarer Anteilserwerb über Zwischengesellschaften

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Steuerbarkeit einer Anteilsvereinigung i. S. v. § 1 Abs. 3 GrEStG wird nur durch den Erwerb des letzten Anteils ausgelöst. Dabei ist der Vorgang, der zum Erwerb dieses Anteils führt, zwar das die Steuer auslösende Moment. Gegenstand der Steuer ist aber nicht der Anteilserwerb als solcher, sondern die durch ihn begründete Zuordnung von mindestens 95 % der Anteile in einer Hand.

2. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen. Die Anteilsvereinigung kann auch dadurch erfolgen, dass der Erwerber die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft teils unmittelbar und teils mittelbar erwirbt.

3. Unter welchen Voraussetzungen ein mittelbarer Anteilserwerb vorliegt, ist nicht in Anknüpfung an das Zivilrecht, sondern unter Berücksichtigung von Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zu beurteilen. Entscheidend kommt es auf die rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten auf die grundbesitzende Gesellschaft an.

4. Ist die (unmittelbar) grundbesitzende Gesellschaft eine Kapitalgesellschaft, setzt ein mittelbarer Anteilserwerb, der zu einer Anteilsvereinigung beitragen oder führen kann, voraus, dass der Anteilserwerber sowohl bei der zwischengeschalteten Gesellschaft (Zwischengesellschaft) oder bei den Zwischengesellschaften als auch bei der grundbesitzenden Gesellschaft selbst in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen durchzusetzen.

5. Ist die (unmittelbar) grundbesitzende Gesellschaft eine Personengesellschaft, ist als „Anteil” i. S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG die gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der Personengesellschaft zu verstehen, das heißt die aus der Mitgliedschaft in der Personengesellschaft folgende gesamthänderische Mitberechtigung hinsichtlich des (aktiven) Gesellschaftsvermögens. Eine Beteiligung an der Personengesellschaft in diesem Sinne hat auch derjenige Gesellschafter inne, der keinen Anteil am Gesellschaftskapital hält.

6. Handelt es sich bei einer Zwischengesellschaft um eine Personengesellschaft, ist diese im Hinblick auf § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ebenso zu behandeln wie eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft. Bei einer solchen Personengesellschaft kommt es nicht auf die Beteiligung aller Gesellschafter am Gesamthandsvermögen, sondern auf die Beteiligung am Gesellschaftskapital an.

 

Normenkette

GrEStG § 17 Abs. 2, 3 S. 1 Nr. 2, § 1 Abs. 2a, 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.09.2017; Aktenzeichen II R 41/15)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine britische Limited, ist eine Tochtergesellschaft der B. S.A. de C.V. mit Sitz in Mexiko. Mit Wirkung zum 01.03.2005 erwarb sie alle Aktien der C. p.l.c.. Der Erwerb wurde dadurch bewirkt, dass nach den Regelungen des Companies Act 1985 die Aktien der C. p.l.c. eingezogen wurden, die Notierung an der Londoner Börse eingestellt wurde und neue Aktien ausgegeben wurden, die vollständig durch die Klägerin übernommen wurden.

Die C. p.l.c. war zu 100 % an der britischen D. Ltd. beteiligt, die wiederum 100 % der Anteile der niederländischen E. B.V. hielt.

Obergesellschaft der deutschen Gruppe der C. p.l.c. war die F. GmbH mit Sitz in G.. Deren Anteile wurden zu 94,91 % von der E. B.V. und zu 5,09 % von der H. GmbH & Co. KG gehalten. An der H. GmbH & Co. KG wiederum waren die E. B.V. zu 100 % und die I. GmbH zu 0 % beteiligt. Die Anteile der I. GmbH hielt die E. B.V. zu 94,04 %; die weiteren 5,96 % hielt die J. GmbH, hinter der die konzernfremde K. AG stand. Die Beteiligungen stellen sich wie folgt dar:

C. p.l.c.

⇓100 %

D. Ltd.

⇓100 %

E. B.V.

↷100 %

↷94,04 %

⇓94,91 %

F. GmbH

⇐5,09 %

H. GmbH & Co. KG

⇐0 %

I. GmbH

⇐5,96 %

J. GmbH

Die deutschen Finanzbehörden erlangten von der geplanten Übernahme im Jahr 2004 Kenntnis. Das Finanzamt L., in dessen Bezirk sich die geschäftliche Oberleitung der M. AG und der N. GmbH befanden, wandte sich darauf im Dezember 2004 mit der Bitte an die M. AG, wegen der grunderwerbsteuerlichen Relevanz der beabsichtigten Veräußerung zu gegebener Zeit eine entsprechende Anzeige zu erstatten und einen inländischen Empfangsbevollmächtigten für die Klägerin zu benennen.

Mit Schreiben der nun zur Gruppe gehörenden O. AG vom 11.03.2005 zeigte die Klägerin dem Finanzamt L. – Grunderwerbsteuerstelle – unter Angabe der zuvor mitgeteilten Steuernummer an, dass sie mit Wirkung zum 01.03.2005 alle Aktien der C. p.l.c. erworben habe. In der deutschen Gruppe, deren Obergesellschaft die F. GmbH sei, werde aufgrund dieses Anteilserwerbs Grunderwerbsteuer ausgelöst. Entsprechend der Anze...

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