Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitunternehmerstellung der Erben eines Kommanditisten bleibt durch die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens unberührt. keine Verfügungsgeschäfte über Nachlassgegenstände zwischen Nachlassinsolvenzverwalter und Erben. entgeltliche Freigabe des Kommanditanteils führt zu Sonderbetriebsausgaben der Erben

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters wird die Mitunternehmerschaft nicht beendet. Einkommensteuerrechtlich bleiben die bisherigen Mitunternehmer Steuersubjekte.

2. Die Regelungen über die Erbengemeinschaft werden für Kommanditanteile handelsrechtlich durchbrochen. Die zur Nachfolge des verstorbenen Kommanditisten bestimmten Erben erwerben im Wege der Sonderrechtsnachfolge jeweils eigenständige Gesellschaftsanteile im Umfang ihrer Erbquoten. Durch die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wird diese Erbfolge weder durchbrochen noch rückgängig gemacht.

3. Zwischen dem Nachlassinsolvenzverwalter einerseits und den Erben andererseits können keine „normalen” Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden. Unzulässig sind insbesondere Verfügungsgeschäfte über Nachlassgegenstände, da diese einen Rechtsträgerwechsel voraussetzen.

4. Eine als „Veräußerung” des Kommanditanteils aus dem Nachlass bezeichnete Vereinbarung ist als entgeltliche Freigabe des gesamten Kommanditanteils aus der Insolvenzmasse zu qualifizieren, wodurch die Erben die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (zurück)erlangen. Eine in diesem Zusammenhang geleistete Zahlung stellt kein Entgelt für den Kommanditanteil dar, sondern entfällt allein auf den Erwerb der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und führt zu Sonderbetriebsausgaben der Erben.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, Abs. 2 S. 3, Abs. 3, § 6 Abs. 3; HGB § 177; InsO § 80 Abs. 1; BGB § 1980

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.07.2023; Aktenzeichen IV R 10/20)

 

Tenor

Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung für 2014 vom 24. November 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03. Juli 2017 wird dahingehend geändert, dass kein Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 Einkommensteuergesetz in Höhe von 550.053 EUR festgestellt und den Feststellungsbeteiligten zugerechnet wird.

Der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag vom 01. Dezember 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03. Juli 2017 wird mit der Maßgabe geändert, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb um 600.053 EUR gemindert wird.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Bei der Klägerin handelt es sich um eine im Jahr 1984 gegründete Kommanditgesellschaft. Ursprüngliche Alleinkommanditistin war Frau B…. Seit dem Jahr 1996 war sie noch zu 52 % an der Klägerin beteiligt. Jeweils 24 % der Kommanditeinlagen hielten seitdem ihre Töchter, Frau C… (die Beigeladene) sowie Frau D…. Im Jahr 2009 übertrug B… weitere Anteile von jeweils 2 % auf ihre Töchter. Ebenfalls im Jahr 2009 trat die aus dem Rubrum ersichtliche Komplementärin in die Klägerin ein. Alleinige Gesellschafterin der Komplementärin war die E… GmbH, deren Gesellschafter Herr F… und G…, die Söhne der C…, waren.

Am 16. November 2012 verstarb B.. Testamentarische Erbinnen waren zu jeweils ein Halb ihre Töchter. Am 02. Januar 2013 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass gestellt. Am 23. Januar 2013 haben die Töchter das Erbe ausdrücklich angenommen. Aufgrund des Insolvenzgutachtens vom 21. März 2013 wurde am 26. März 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Am 30. März 2013 verstarb D.. Erben waren zu jeweils ein Halb deren Neffen (F. und G.). Diese wurden mit Kommanditanteilen von jeweils 664,68 EUR (entspricht 1.300 DM) am 25. April 2014 im Handelsregister der Klägerin eingetragen.

Mit Vertrag vom 19. September 2014 einigten sich F. und G. mit dem Insolvenzverwalter auf eine Übertragung der sich noch im Nachlass befindlichen Kommanditanteile an der Klägerin von insgesamt 48 %. Als Übertragungsstichtag wurde der 30. Juni 2014 bestimmt.

Zum Ausgleich sollten F. und G. eine Zahlung von zusammen 50.000 EUR in die Insolvenzmasse leisten. Am 30. Oktober 2014 meldeten die Klägerin, vertreten durch die Komplementärin, sowie C… dem Amtsgericht H… (Handelsregister) an, dass die Kommanditeinlage der B… von 2.454,20 EUR (entspricht 4.800 DM) im Wege der Sonderrechtsnachfolge zu jeweils 1.227,10 EUR (entspricht 2.400 DM) auf G… und F… übertragen worden sei. Am 26. November 2014 erklärte der Insolvenzverwalter den Beitritt zu dieser Handelsregisteranmeldung. Am 22. Dezember 2014 wurde die Kommanditistin B… aus dem Handelsregister gelöscht. Zugleich erhöhten sich die eingetragenen Kommanditanteile Herrn G… ...

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