rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungsbefugnis des FA und Ablaufhemmung bei allein wegen der offenen steuerrechtlichen Beurteilung vorläufig ergangenem Bescheid

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Ungewissheit i. S. d. § 165 Abs.1 S. 1 AO muss sich auf Tatsachen beziehen. Eine Unsicherheit in der steuerrechtlichen Beurteilung eines feststehenden Sachverhalts (im Streitfall die ausstehende steuerrechtliche Klärung der Frage der Ermittlung der Abschreibungen beim Gesellschafterwechsel eines geschlossenen Immobilienfonds mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung) rechtfertigt die Anordnung der Vorläufigkeit nicht.

2. Hat das FA eine Steuer nach § 165 Abs.1 AO vorläufig festgesetzt, obwohl die in der Vorschrift vorausgesetzte Ungewissheit nicht besteht, ist der Bescheid nicht nichtig, sondern nur rechtswidrig, wenn sich der Umfang der Vorläufigkeit aus dem Wortlaut der Erläuterung oder den sonstigen Umständen ergibt und die Nebenbestimmung somit hinreichend bestimmt ist.

3. Wird der vorläufige Bescheid nicht angefochten, kann sich der Steuerpflichtige bei der Änderung aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks nicht darauf berufen, dass der Vermerk rechtswidrig war.

4. Die durch die vorläufige Steuerfestsetzung bewirkte Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 8 AO tritt auch dann ein, wenn die vorläufige Steuerfestsetzung rechtswidrig war, es sei denn, sie wurde vom Steuerpflichtigen mit Erfolg angefochten.

 

Normenkette

AO § 165 Abs. 1-2, §§ 122, 125, 171 Abs. 8; EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7, §§ 7, 21

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.11.2012; Aktenzeichen IX R 7/11)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer GbR mit mehr als 50 Beteiligten, die mit einem im Jahr 1990 fertig gestellten Mehrfamilienhaus in G Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne von § 21 Einkommensteuergesetz erzielt. Der Gesellschaft sind noch während der Herstellungsphase vier Beteiligte beigetreten, die neben der anteiligen Abschreibung aus der gemeinsamen Überschussbeteiligung zusätzliche Anschaffungskosten nach § 14a Abs.1 BerlinFG geltend machen konnten. Die im Rahmen einer Betriebsprüfung im Jahr 1991 ermittelten Abschreibungen betragen im Jahr der Herstellung und im Folgejahr 10%, reduzieren sich in den folgenden 10 Jahren auf 3 % und sind ab dem 13. Jahr nach dem Restwert zu bemessen. Die Umstellung auf den Restwert ist seitens der Klägerin für die Jahre 2002 bis 2006 unterblieben, so dass weiterhin 3 % der zusätzlichen Anschaffungskosten als Mehrabschreibung erklärt wurden. Eine Änderung seitens des Beklagten im Rahmen der Veranlagung erfolgte nicht.

Ein weiterer Anteil über nominell 30.000 DM wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1995 vom Beteiligten H auf den Zweiterwerber F übertragen. Die Klägerin ermittelte unter Berücksichtigung des vereinbarten Kaufpreises und der übernommenen Verbindlichkeiten Anschaffungskosten in Höhe von 86.711 DM für den Erwerber und bei einem Abschreibungssatz von 2% auf die Gebäudeanschaffungskosten eine Minderabschreibung in Höhe von 519 DM für das Jahr 1995. Im Rahmen der Veranlagung wurde keine Veränderung vorgenommen. Der Bescheid vom 9. April 1998 enthält jedoch folgenden Vorläufigkeitsvermerk: „Die Feststellung erfolgt gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Sie ist vorläufig im Hinblick auf die noch ausstehende Entscheidung der Senatorin für Finanzen (schriftliche Anfrage vom … betreffend Aufteilung des Mehrpreises auf Grund und Boden sowie Gebäude bei Gesellschafterwechsel bei geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform von Gesellschaften bürgerlichen Rechts mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung) hinsichtlich der aufgrund der Anteilserwerbe erklärten Sonderwerbungskosten (Mehr – AfA bzw. Minder – AfA).

In der Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für das Jahr 1997 wurde die Minderabschreibung für den Beteiligten F in der Weise geändert, dass die Abschreibung auf die Restnutzungsdauer des Gebäudes verteilt, hierbei auf den Zeitpunkt der Vollabschreibung für die übrigen Beteiligten abgestellt (Erhöhung des Abschreibungssatzes auf 2,3%) und mithin eine einheitliche Nutzungsdauer für alle Beteiligten berücksichtigt wurde. Das ergab nunmehr für den Zweiterwerber F eine Minderabschreibung in Höhe von 338 DM bzw. 173 EUR ab dem Jahr 2002. Auch insoweit erfolgte seitens des Beklagten keine Änderung.

Sämtliche Veranlagungen ab dem Jahr 2000 erfolgten jedoch wie folgt vorläufig: „Der Bescheid ist nach § 165 Abs.1 Abgabenordnung teilweise vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, und zwar soweit es die vorzunehmende Aufteilung des Mehrpreises auf Grund und Boden und Gebäude im Falle eines Gesellschafterwechsels bei geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung betrifft, hinsichtlich der aufgrund der...

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