Entscheidungsstichwort (Thema)

Regelsteuersatz oder ermäßigter Steuersatz für den Verkauf von Fingerfood in einem Kino

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beim Verkauf von teilweise selbst zubereitetem Fingerfood wie Popcorn, Nachos, Süßigkeiten, Hot Dogs und Eis an den Verkaufstresen im Foyer eines Kinokomplexes überwiegt nicht der Dienstleistungscharakter, so dass diese Verkäufe nach der ab 2005 anzuwendenden Gesetzesfassung nicht als dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistungen, sondern als nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegende „Lieferungen” zu behandeln sind (gegen Finanzgericht Hamburg, Urteil v. 28.11.2006, 7 K 27/06).

2. § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG 2005 ist nicht in vollem Umfang konform mit der Richtlinie 77/388/EWG.

 

Normenkette

UStG 2005 § 3 Abs. 1, 9 Sätze 1, 4-5, § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1; EWGRL 388/77 Art. 5-6

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.02.2009; Aktenzeichen V R 90/07)

 

Tenor

Die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 1. Quartal 2005 wird abweichend von dem Bescheid vom 20.09.2005 um 4 276,73 EUR gemindert auf ./. 43 435,96 EUR festgesetzt.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Wege der Sprungklage um die Frage, ob der Verkauf von Popcorn, Nachos (Tortilla-Chips) und Hot Dogs durch die Klägerin als sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 UmsatzsteuergesetzUStG – dem Regelsteuersatz unterliegt.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH einen Kinokomplex in L. Im Eingangsbereich zu den Kinosälen werden an Verkaufstheken Nahrungsmittel wie Popcorn, Nachos, Süßigkeiten, Hot Dogs und Eis – von der Klägerin als Fingerfood bezeichnet verkauft.

Das Popcorn wird in einer eigens hierfür eingerichteten Popcorn-Küche aus Rohstoffen (Mais, Öl und Salz oder Zucker) auf Vorrat produziert und in Plastikbeuteln (sog. „Sleeves” mit ca. 2 kg Inhalt pro Beutel) verpackt und gelagert. Diese Sleeves werden je nach Bedarf in größere, offene Wärmebehälter in der Verkaufstheke des Kinokomplexes entleert. Aus diesen Behältern wird für die Kunden die gewünschte Menge Popcorn in dafür vorgesehene Papiertüten erwärmt abgefüllt. Die Klägerin verkauft außerdem Sleeves an die benachbarten Standorte der X-GmbH. Die Hot Dogs werden erwärmt und unter Zugabe eines Dressings, welches der Kunde aus einer Angebotspalette wählen kann, verkauft. Ebenso werden die Nachos erwärmt und mit einer Auswahl von zwei Saucen in einer zweigeteilten Plastikschale angeboten. Die übrigen Nahrungsmittel werden durch die Klägerin nicht bearbeitet.

Die Klägerin unterwarf die Umsätze aus den von ihr verkauften Speisen dem ermäßigten Steuersatz von 7 v.H.. Im Rahmen einer bei ihr durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung gelangte die Prüferin mit Bericht vom 12.08.2005 jedoch zu der Auffassung, dass die Umsätze dem Regelsteuersatz unterlägen. Die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle sei nach § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG eine sonstige Leistung. Seit dem 01.01.2005 unterliege der Verkauf von verzehrfertigen Speisen in sog. Multiplexkinos dem Regelsteuersatz. Diese Beurteilung beruhe auf der Auffassung, dass die Bestuhlung im Filmvorführsaal aufgrund der besonderen Verhältnisse auch zum Verzehr von Speisen bereit gehalten werde, so dass diese als besondere Vorrichtung zur Abgabe von Spiesen zum Verzehr an Ort und Stelle im Sinne des § 3 Abs. 9 Satz 5 UStG anzusehen sei. Dabei könne es dahingestellt bleiben, ob nicht auch andere Ausstattungsgegenstände eines Kinos als derartige Vorrichtungen anzusehen seien. Auf Teilziffer 16 des Berichts über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 12.08.2005 wird wegen der weiteren Einzelheiten und der Berechnung der Umsatzsteuer Bezug genommen. Der Beklagte folgte den Feststellungen der Prüferin und setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das I. Quartal 2005 – von der Erklärung abweichend – um 4 276,73 EUR erhöht fest.

Im Rahmen des Klageverfahrens macht die Klägerin geltend, dass die Umsätze aus dem Verkauf von Fingerfood als Lieferung zu qualifizieren seien und folglich dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Anlage 2 unterlägen. Die Verkaufstheken selbst seien nicht für den Verzehr des Fingerfood bestimmt und auch nur bedingt geeignet. Im übrigen Foyerbereich befänden sich keine Tische, Stühle, Sitzgelegenheiten oder ähnliche Einrichtungsgegenstände, die den Besuchern einen Verzehr des Fingerfoods ermöglichten. Die Kinobesucher würden die Nahrungsmittel vornehmlich in den Kinosaal mitnehmen und diese im Laufe der Vorstellung essen. In den Kinosälen befänden sich keine Vorrichtungen zum Abstellen der Esswaren. An der Bestuhlung im Saal seien allerdings Getränkehalter angebracht, in dene...

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