Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenbeginn bei rückwirkend bewilligter Erwerbsminderungsrente nach vorherigem Bezug von erstattungspflichtigen, nach § 3 Nr. 2b EStG 2007 steuerfreien Leistungen nach dem SGB II

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat ein Steuerpflichtiger nach § 3 Nr. 2b EStG 2007 steuerfreie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur Eingliederung in Arbeit nach dem SGB II bezogen und wird infolge der späteren rückwirkenden Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente der hierfür zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, gilt der Rentenanspruch des Berechtigten insoweit gemäß § 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt. Die Erwerbsminderungsrenten unterliegen damit bereits im Zeitpunkt des Zuflusses der Leistungen nach dem SGB II im Umfang der Erfüllungsfiktion mit ihrem Besteuerungsanteil der Einkommensteuer (Anschluss an BFH, Urteil v. 9.12.2015, X R 30/14). Dass die nach § 3 Nr. 2b EStG 2007 steuerfreien Leistungen nach dem SGB II anders als etwa Krankengeldzahlungen nicht dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b EStG unterliegen, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

2. Für die Besteuerung ist entscheidend, dass die Leistungen dem Steuerpflichtigen auf der Rechtsgrundlage des mit der Rentenversicherung bestehenden Rentenversicherungsverhältnisses als Erwerbminderungsrente zustehen. Dieser – endgültige – sozialversicherungsrechtliche Rechtsgrund ist maßgebend für die steuerliche Behandlung.

 

Normenkette

EStG 2007 § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa S. 3, § 11 Abs. 1, § 3 Nr. 2b, § 32b; SGB X § 103 Abs. 1-2, § 107 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 10.10.2018; Aktenzeichen X R 18/16)

BFH (Urteil vom 15.05.2018; Aktenzeichen X R 18/16)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, in welchem Veranlagungszeitraum die Einkünfte der Klägerin aus einer rückwirkend gewährten Erwerbsminderungsrente der Deutschen Rentenversicherung B. der Einkommensteuer unterliegen.

Die 1965 geborene Klägerin ist seit dem Jahr 1998 geschieden. Sie war aufgrund zwischenzeitlich eingetretener vollständiger Erwerbsunfähigkeit im Streitjahr 2008 nicht mehr aktiv berufstätig und versorgte zwei eigene Kinder.

Die Klägerin stand bis zum 31. Januar 2008 in einem Beschäftigungsverhältnis zur C. GmbH mit Sitz in D.. Von dieser erhielt sie Ende Januar 2008 eine einmalige Kapitalabfindung im Hinblick auf ihre Anwartschaften auf Gewährung einer betrieblichen Altersversorgung in Höhe von brutto 28 968,61 EUR. Der Nettoauszahlungsbetrag betrug 23 692,45 EUR.

Die Klägerin bezog seit dem 1. April 2007 eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von monatlich 1 053,00 EUR von einer privaten Rentenversicherung. Die Rente war auf die Zeit bis zum 30. August 2013 befristet.

Die Klägerin bezog außerdem im Zeitraum 1. Januar 2008 bis 25. Mai 2010 vom Jobcenter D. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur Eingliederung in Arbeit nach dem Sozialgesetzbuch – SGB – II.

Parallel zum Bezug der Leistungen nach dem SGB II verfolgte die Klägerin ihren Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente durch die Deutsche Rentenversicherung B… in einem Klageverfahren vor dem Sozialgericht D.. Die vorgenannte Rentenversicherung hatte ihr bereits für die Zeit vom 1. April bis einschließlich 31. Dezember 2007 eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von insgesamt 9 135,20 EUR gezahlt.

Mit Bescheid vom 25. Mai 2010 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung der Klägerin rückwirkend ab dem 1. Januar 2008 für die Zeit bis zum 30. Juni 2011 eine Rente auf Zeit wegen voller Erwerbsminderung. Die monatliche Rente betrug ab 1. Januar 2008 1 016,84 EUR brutto bzw. 918,21 EUR netto (nach Abzug der Beitragsanteile der Klägerin zur Kranken- und zur Pflegeversicherung). Ab 1. Juli 2008 betrug die Erwerbsminderungsrente monatlich 1 028,05 EUR brutto bzw. 925,76 EUR netto. Der Nachzahlungsbetrag in Höhe von insgesamt 27 998,22 EUR für die Zeit ab 1. Januar 2008 wurde bis auf einen Teilbetrag in Höhe von 900,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 43,50 EUR nicht an die Klägerin, sondern als sog. Erstattungsleistung nach § 103 SGB X an das o. g. Jobcenter ausgezahlt. Der anteilige Rentennachzahlungsbetrag für das Streitjahr 2008 betrug 11 870,11 EUR.

Mit Schreiben vom 24. September 2012 forderte der Beklagte die Klägerin unter Hinweis auf den rückwirkenden Bezug der Erwerbsminderungsrente von Seiten der Rentenversicherung B. auf, binnen vier Wochen eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 einzureichen und für die Vorjahre zu prüfen, ob ggf. für diese Jahre ebenfalls Einkommensteuererklärungen abzugeben seien.

Der Beklagte war in der Folgezeit der Ansicht, dass im Hinblick auf die in § 107 SGB X angeordnete sog. Erfüllungsfiktion ein Teilbetrag der o. g. Rentennachzahlung in Höhe von 11 870,00 EUR als Erstattungsleistung der Rentenversicherung an das örtlich zuständige Jobcenter bereits im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2008 al...

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