Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuerpflicht des Aufgabegewinns eines Bundeslands als Fiskalerben eines Mitunternehmers. § 7 S. 2 GewStG verfassungskonform. Mitunternehmerstellung von Bundesländern als Fiskalerben

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird ein Bundesland Fiskalerbe eines Kommanditisten und tritt es in die Mitunternehmerstellung des Kommanditisten ein, so gehört ein Gewinn aus der Aufgabe der Beteiligung des Bundeslands nach § 7 S. 2 GewStG zum Gewerbeertrag der KG. § 7 S. 2 GewStG macht nur für natürliche Personen als Mitunternehmer eine Ausnahme und ordnet in allen übrigen Fällen eine Besteuerung der Aufgabe- bzw. Veräußerungsgewinne auch dann an, wenn offensichtlich kein Fall eines Missbrauchs vorliegt. Die Regelung ist auch nicht verfassungswidrig.

2. Ein Bundesland hat als Fiskalerbe eines Kommanditisten Mitunternehmerinitiative, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag den Kommanditisten u. a. Gewinnbezugsrechte, Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung sowie die Rechte zustehen, Bericht von der Geschäftsführung einzufordern, den Verwaltungsrat zu wählen, die auf sie entfallende Jahresergebnis zu erfragen und sich den Jahresabschluss übermitteln zu lassen. Dass diese Gesellschafterrechte im Erbfall bis zum Nachweis des Erbrechts und bis zur Erteilung einer Handelsregistervollmacht ruhen, schließt die Mitunternehmerinitiative nicht aus.

3. Ein Bundesland als Fiskalerbe eines Kommanditisten kann durch Beteiligung an Gewinn und Verlust sowie stillen Reserven mit Ausnahme des Firmenwerts auch dann Mitunternehmerrisiko als Voraussetzung der Mitunternehmerstellung haben, wenn bei Eintritt der Fiskalerbschaft die Einlagen des Erblassers bereits durch Verluste aufgebraucht sind und wenn das Bundesland von Anfang an eine Haftungsfreistellung anstrebt und diese später auch erreicht. Die Mitunternehmerstellung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Fiskalerbe i. S. v. § 1964 Abs. 2 BGB die jeweilige Erbschaft nach § 1942 Abs. 2 BGB nicht ausschlagen kann, sondern auf die Rechte nach § 1966 BGB (Schutz vor einer Inanspruchnahme, solange des Nachlassgericht noch nicht festgestellt hat, dass ein anderer Erbe nicht vorhanden ist), § 2011 BGB (keine Bestimmung einer Inventarfrist gegenüber dem Fiskus) und § 780 Abs. 2 ZPO (kein Erfordernis eines Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung) beschränkt ist.

 

Normenkette

GewStG § 7 S. 2; EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; BGB § 1942 Abs. 2, §§ 1966, 2011; ZPO § 780 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.09.2019; Aktenzeichen IV R 50/16)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Gewinn aus der Aufgabe von Beteiligungen an der Klägerin nach § 7 Satz 2 GewStG der Gewerbesteuer unterliegt, wenn die Beteiligungen zwei Bundesländern als Fiskalerben zweier natürlicher Personen zustanden und von diesen aufgegeben wurden.

Die Klägerin ist eine KG, die Erbbauberechtigte des Grundstücks B…-straße in C… war und auf dem Grundstück eine Wohnanlage errichtete, die sie anschließend vermietete. Komplementärin der Klägerin war die D… GmbH. Außerdem waren 32 Kommanditisten an der Klägerin beteiligt. Das Einlagekapital der Klägerin betrug ursprünglich DM 2.632.000,–. § 22 des Gesellschaftsvertrags in der ab 2001 geltenden Fassung (vgl. Bl. 83 ff., 97 f. und 124 ff. der Streitakte) lautete wie folgt:

„Stirbt ein Treugeber oder Gesellschafter, wird die Gesellschaft mit seinen Erben oder Vermächtnisnehmern, auf die die Beteiligung übertragen wird, fortgesetzt.

Führt der Erbfall zu Beteiligungen, die unter DM 20.000,– liegen, haben sich die Erben oder Vermächtnisnehmer so auszugleichen/auseinanderzusetzen, dass nur Beteiligungen in Höhe von wenigstens DM 20.000,– verbleiben. Bis dahin ruhen die Gesellschafterrechte mit Ausnahme des Gewinnbezugsrechts.

Bis zum Nachweis des Erbrechts und der Erteilung der Handelsregistervollmacht gilt Abs. 1 letzter Satz.”

Einer der Kommanditisten war E…, der mit EUR 122.710,05 beteiligt war und am 28. März 2006 verstarb. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen wurde durch Beschluss des Amtsgerichts F… vom 26. September 2006 als gesetzlicher Erbe festgestellt. Die Klägerin hatte als Verwalterin der Beteiligungen die G… GmbH eingesetzt. Die G… GmbH forderte die Bezirksregierung H… mit Schreiben vom 19. Oktober 2006 und vom 07. März 2007 zur Unterzeichnung von Handelsregistervollmachten auf. Die Bezirksregierung erhob daraufhin vorsorglich die Einrede der Bedürftigkeit, weil sie keine Einnahmen aus der Beteiligung erwartete und keine neuen Vertragsverpflichtungen eingehen wollte. Ein von der Bezirksregierung H… als Vertreterin des Bundeslandes gestellter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde mit Beschluss des Amtsgerichts F… vom 03. April 2007 abgewiesen. Am 16. Oktober 2007 teilte die Bezirksregierung H… der G… GmbH mit, dass eine Kündigung der Beteiligung nur dann in Betracht komme, wenn gesichert sei, dass der Fiskus von etwaigen Forde...

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