rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Kindergeldanspruch für volljähriges Kind während Untersuchungs- und Strafhaft infolge einer vorsätzlichen schweren Straftat

 

Leitsatz (redaktionell)

Muss das volljährige Kind seine Berufsausbildung unterbrechen, weil es sich wegen einer vorsätzlichen schweren Straftat zuerst in Untersuchungshaft und anschließend infolge seiner Verurteilung in Strafhaft befindet, befindet es sich weder in Berufsausbildung nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG noch kann es als ausbildungswilliges Kind nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt werden (im Streitfall: kein Kindergeldanspruch für volljährigen, an der Universität immatrikulierten, aber beurlaubten Sohn bei Unterbrechung des Studiums wegen Inhaftierung infolge Drogenhandels; Abgrenzung zum BFH v. 20.7.2006, III R 69/04; Anschluss an FG Sachsen-Anhalt v. 12.2.2008, 4 K 435/06).

 

Normenkette

EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.01.2013; Aktenzeichen XI R 50/10)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der am X.X. 1982 geborene Sohn der Klägerin A war seit dem Wintersemester 2002 an der Universität … zum Studium der Rechtswissenschaften immatrikuliert. Er war vom Wintersemester 2003/2004 bis zum Sommersemester 2005 beurlaubt. Nach Mitteilung der Klägerin vom 4. April 2007 befand sich ihr Sohn während des Beurlaubungszeitraums in Untersuchungshaft bzw. in Haft. Seit dem Wintersemester 2005/2006 ist der Sohn nicht mehr beurlaubt und hat sein Studium fortgesetzt.

Der Sohn der Klägerin wurde am 12. August 2004 wegen unerlaubten Handelns mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Ausweislich der Urteilsgründe war er in den Drogenhandel mit Haschisch eingebunden und hatte am 26. Juni 2003 konspirativ und professionell Haschisch und Ectasytabletten mit einem Marktwert von 100.000 EUR transportiert. Der Sohn der Klägerin war am 26. Juni 2003 festgenommen worden, befand sich zunächst in Untersuchungshaft und ab dem 26. Januar 2005 in Strafhaft. Ab August 2005 befand er sich in offenem Vollzug. Das Landgericht … setzte mit Beschluss vom 17. Januar 2006 den Strafrest vorzeitig zur Bewährung aus, weil der Verurteilte erstmalig eine Freiheitsstrafe verbüßte und nach dem Eindruck der Kammer beeindruckt und bemüht war, sein Leben wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Er habe die Haftzeit dazu genutzt, sich bereits in der Untersuchungshaft beruflich zu orientieren. Mit der Aufnahme seines Jurastudiums habe er die Möglichkeiten des Freigangs genutzt und eine tragfähige Perspektive für die Entlassung geschaffen. Mit Beschluss vom 5. Februar 2009 wurde die ausgesetzte Reststrafe erlassen.

Die Beklagte hob die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 19. April 2007 für den Zeitraum Juli 2003 bis September 2005 nach § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) auf und forderte überzahltes Kindergeld in Höhe von 4.158 EUR von der Klägerin zurück. Das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 2008).

Mit der dagegen erhobenen Klage verweist die Klägerin auf die durchgehende Immatrikulation des Sohnes an der Universität …. Dieser sei studierwillig geblieben und lediglich aus objektiven Gründen gehindert gewesen, sein Studium fortzusetzen. Der Antrag auf Beurlaubung sei aus formellen Gründen erfolgt, da der Sohn nicht an den Ausbildungsmaßnahmen habe teilnehmen können. Damit sei er ebenso zu behandeln, wie ein Kind, das sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, aber keinen findet oder nach den Erwägungen des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 20. Juli 2007 (III R 69/04) sowohl für die Dauer der Untersuchungshaft als auch der Strafhaft weiterhin als in Ausbildung befindlich zu behandeln. Nach den Gründen dieses Urteils sei es irrelevant, ob der Sohn die Untersuchungshaft/Strafhaft letztlich zu vertreten habe. Der Sohn sei zum Zeitpunkt der Tat gerade mal 20 Jahre alt gewesen und die schwerwiegenden Folgen – auch im Hinblick auf seine Ausbildung – seien ihm nicht bewusst gewesen. Die Eltern hätten dem Sohn während der gesamten Zeit beigestanden, insbesondere den sozialen Kontakt nicht abgebrochen und ihn regelmäßig besucht. Wegen der finanziellen Aufwendungen werde auf die beigefügte Aufstellung verwiesen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebe.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 19. April 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 2008 aufzuheben; hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Sohn der Klägerin habe sich beurlauben lassen und damit seine Ausbildung formal unterbrochen. Diese Unterbrechung habe er selbst zu vertreten. An die Untersuchungshaft hätten sich noch einige Monate Haft angeschlossen. Anders als in dem vom BFH entschiedenen Fall sei er nich...

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